Zum Training englischer Bogenschützen im Mittelalter

Am 1. Juni 1363 wies der englische König Edward III. seine Sheriffs an, einen Erlass bekannt zu machen,

„… dass jeder körperlich fähige Mann an Feiertagen [inkl. sonntags], wenn er Freizeit hat, den Umgang mit Bogen und Pfeil, Kugeln oder Bolzen pflegen und die Kunst des Schießens erlernen und üben soll, es zugleich verboten ist, bei Gefängnisstrafe dem Steinwurf, loggat [eine Art Kegelspiel], Wurfringspiel, Handball, Fußball, Schlägerball, cambuc, Hahnenkämpfen oder anderen eitlen Spielen ohne Wert beizuwohnen oder nachzugehen […]“

 

(„… that every able bodied man on feast days [including Sundays] when he has leisure shall in his sports use bows and arrows, pellets or bolts, and shall learn and practice the art of shooting, forbidding all and singular on pain of imprisonment to attend or meddle with hurling of stones, loggats, or quoits, handball, football, club ball, cambuc, cock fighting or other vain games of no value […]“)
[CCR Ed III 1363]

Das Statut sollte dazu dienen, den Nachschub fähiger Bogenschützen für die Feldzüge des Herrschers im Hundertjährigen Krieg mit Frankreich sicherzustellen. Bis ins 16. Jahrhundert folgten etliche solcher Erlasse, denn Bogenschützen stellten im Mittelalter stets einen großen und wichtigen Anteil englischer Heere.

Bogenschützen in der Schlacht von Crécy. Wenig realistische Darstellung aus dem 15. Jahrhundert.

Bogenschützen in der Schlacht von Crécy. Wenig realistische Darstellung aus dem 15. Jahrhundert.

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Fundstücke KW 6

Schätze, Schätze, Schätze! Diese Woche hatte das weltweite Netz etliche Goldstücke und Perlen für Geschichts- bzw. Mittelalterinteressierte zu bieten.

Zur Magdalenenflut von 1342, einer europaweiten Flutkatastrophe, hat Martin Bauch im Mittelalterblog einen überaus lesenswerten Beitrag verfasst:

Rainer Schreg hat diesen Post auf Archaeologik gleich kommentiert:

Hiltibold aus Graz – ein überaus emsiger Goldgräber in Sachen „Geschichte im Netz“ – postet immer wieder interessante Audiobeiträge:

Ich greife hier zwei heraus, die mir besonders gut gefallen haben: Zum Ersten ein Beitrag des SWR von Nadja Eckerle über den Englischen Langbogen, das „Maschinengewehr des Mittelalters“ (der etwas dämliche Titel ist ein Zitat und sagt nichts über die Qualität des
Features aus!):

Und ein Beitrag des Bayerischen Rundfunks über die mittelalterliche Ständegesellschaft:

Apropos Schätze: Noch mehr Fundstücke kamen in dieser Woche in einem Keller in Bingerbrück zutage. Es handelt sich um

„Bananenkisten mit mittelalterlichen und neuzeitlichen Funden aus Mainz (Steinzeug mit Bartmannkrügen, lokale manganviolette spätmittelalterliche Ware, bemalte Hafnerware sind auf den Bildern zu erkennen) …“

Ob es sich um Beute aus Raubgrabungen oder um Diebesgut aus Museen handelt, ist bislang noch nicht geklärt. Die Nachricht hat in den Medien einige Wellen geschlagen und eine Diskussion um die personelle und finanzielle Ausstattung der Landesarchäologie und Denkmalpflege (wieder) entfacht.
Rainer Schreg bietet in seinem Blog Archaeologik eine Presseschau:

So, ich gehe jetzt auch in den Keller, wo allerdings keine archäologischen Schätze lagern, sondern Arbeit wartet …

 

Fundstücke KW3

Leider (?) hatte ich diese Woche nicht viel Zeit, im Netz zu surfen. Daher fallen auch die Fundstücke etwas spärlicher aus.

A propos Fundstücke: In England tauchen seit einiger Zeit die Gebeine mittelalterlicher Könige auf. Zuerst Richard III. unter einem Parkplatz, nun möglicherweise Alfred der Große (oder sein Sohn Edward) in einer Kiste:

Auf medievalists.net findet sich ein Video von einer interessanten Debatte (eigentlich eher vier Kurzvorträge) über den Stand der Mediävistik (in England), ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ihren möglichen Nutzen oder ihre Bedeutung für die moderne Gesellschaft, für die Frage nationaler Identität, das Mittelalter in Lehrplänen und im Alltag sowie viele weitere Aspekte. Sehenswert (auf Englisch)!

Außerdem: Lesenswerte „Gedanken zur Reenactmen-Szene“ auf tribur.de:

Und nur zum Spaß: Dennis the Constitutional Peasant aus Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“:

 

"Die Pilgerin": Das Fernsehen und das Mittelalter, eine (unendliche?) Leidensgeschichte

Nun habe ich es also getan: Ich habe mir „Die Pilgerin“, den „historischen ZDF-Jahresauftakt“, das „spätmittelalterliche TV-Event des Jahres“ angesehen. Naja, zumindest den ersten Teil. Wahrscheinlich werde ich noch einige Zeit brauchen, um mich davon zu erholen. Den zweiten Teil werde ich mir ersparen – dafür ist mir meine Zeit zu kostbar. Weiterlesen

Mittelalter im deutschen Fernsehen – Zum Zweiten

Im April dieses Jahres habe ich mich in einem Blog-Beitrag kritisch mit der Darstellung des Mittelalters im deutschen Fernsehen auseinandergesetzt. Anlass war damals eine als „Doku-Drama“ angepriesene Produktion über Karl den Großen auf ARTE gewesen, und ich war beileibe nicht der Einzige, der im Netz seinem Unmut Luft gemacht hat. Weiterlesen

Linkliste zum Schriftwesen im Mittelalter

Die folgende Liste von Links zum mittelalterlichen Schriftwesen war bis vor ca. zwei Jahren als „Bonusmaterial“ zum Buch „Die Schreibwerkstatt. Schrift und Schreiben im Mittelalter“ von Jan H. Sachers und Katja Rother (G&S-Verlag, Zirndorf 2009) über die Website von HistoFakt aufrufbar.

Aufgrund einer Anfrage habe ich beschlossen, sie hier wieder zugänglich zu machen. Einige tote Links wurden entfernt, aber keine weiteren Ergänzungen vorgenommen. Inzwischen dürfte es etliche weitere interessante Seiten zum Thema geben, und ich freue mich über entsprechende Hinweise in den Kommentaren.

Evangeliar Ottos III. Einband.

Evangeliar Ottos III. Einband.

Im Magazin „Karfunkel. Zeitschrift für erlebbare Geschichte“ erscheint außerdem seit Ausgabe 104 (Februar 2013) meine Reihe „Buchkunst des Mittelalters“ über herausragende illuminierte Handschriften. Bislang erschienen: Evangeliar Ottos III, Kreuzfahrerbibel, Wiener Dioskurides. Kommende Themen: Falkenbuch Kaiser Friedrichs II., Codex aureus Epternacensis, Luttrell-Psalter, Les très riches heures du Duc de Berry, Oxford-Apocalypse, Golf Hours, Breviarium Grimani, …

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Link-Sammlungen

Datenbanken und Nachschlagewerke online

Handschriftenkataloge online

Digitalisierte Handschriften online

Bibliotheken und Forschungseinrichtungen online

Interessante Museen zum Thema

Historische Zeichensätze für den Computer

Weitere interessante Seiten

Das Mittelalter im deutschen Fernsehen

Auf einem öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehsender läuft ein „Doku-Drama“ über die Wirtschaftswunderjahre. In einer Szene sehen wir Konrad Adenauer, wie er mit seinem Smartphone den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy anruft. Der Bundeskanzler wird standesgemäß in einem Citroën Traction Avant 11CV kutschiert, sein Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hingegen bevorzugt einen Porsche 911. Überhaupt mag es der CDU-Politiker sportlich: er nimmt gerne in Jeans und Turnschuhen an den Sitzungen des Bundestags teil und spielt in seiner Freizeit Ballerspiele am Computer … Weiterlesen

Die tägliche Dosis Mittelalter – Allgegenwärtige Spuren einer längst vergangenen Zeit

[Unveröffentlichter Artikel von 2010]

Da sitzt man in der Bankfiliale seinem persönlichen Finanzberater gegenüber, der sich zunächst die Brille zurecht rückt und dann ein dickes Buch aufschlägt: wer würde in einer solchen Situation ausgerechnet an‘s Mittelalter denken? Und doch ist uns diese faszinierende und fremdartige Vergangenheit fast niemals fern.
Bank und Brille sind ebenso Erfindungen des Mittelalters wie die typische Form von Büchern, wie wir sie heute noch kennen. Und wenn besagte Bankfiliale dann auch noch in der Schmiedgasse, der Klosterstraße oder im Färbergraben liegt und unser Finanzexperte auf den Namen Bogner, Meier, Ackermann oder Müller hört – spätestens dann ist klar, das Mittelalter ist nahezu allgegenwärtig.

Das gilt z. B. auch für unsere Schrift, die eigentlich aus zwei ganz unterschiedlichen Alphabeten besteht. Ihre Großbuchstaben oder Majuskeln (von lat. maior = größer) gehen zurück auf die Schriftzeichen der römischen Capitalis oder Kapitalschrift, die auch das gesamte Mittelalter hindurch vor allem für Inschriften verwendet wurde. Die Kleinbuchstaben oder Minuskeln (von lat. minus = kleiner) hingegen entstanden zur Zeit Karls des Großen (747/748-814) in den Klöstern seines neu gegründeten Reiches.
In dieser Schrift, die daher auch als Karolingische Minuskel bezeichnet wird, wurden Jahrhunderte lang Texte der griechischen, römischen und christlichen Antike abgeschrieben. Als italienische Gelehrte der Renaissance begannen, sich für Geschichte und Kultur der vorchristlichen Zeit zu interessieren, fielen ihnen diese Dokumente in Kloster- und Privatbibliotheken dutzend- bis hundertfach in die Hände. Die eifrigen Forscher hielten sie fälschlicherweise für die antiken Originalschriften und die Buchstaben, mit denen sie geschrieben waren, daher für die authentischen Schriftzeichen des römischen Reiches.

Beispiel für die Karolingische Minuskel

Beispiel für die Karolingische Minuskel

Künstler und Schriftschneider, die das sich ausbreitende Druckereigewerbe mit Formen für Drucktypen versorgten, schufen nun ein neues, doppeltes Alphabet, bestehend aus den Großbuchstaben der römischen Kapitalschrift und den leicht abgewandelten Grundformen der Karolingischen Minuskel – in dem Glauben, den tatsächlichen Schriftgebrauch ihrer antiken Vorfahren wieder zu beleben. Konsequenterweise nannten sie ihre Neuschöpfung Antiqua, und diese Bezeichnung tragen noch heute die meisten der Zeichensätze, derer wir uns täglich am Computer bedienen. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die „Times“, die 1931 für die gleichnamige Tageszeitung in London entwickelt wurde und in der Bezeichnung „Times New Roman“ ganz eindeutig auf dieses historische Missverständnis verweist.
Die Wurzeln der Zeitung reichen übrigens ebenfalls bis ins Mittelalter zurück. Der Begriff leitet sich von zidunge ab, womit seit dem 14. Jahrhundert ganz allgemein Neuigkeiten oder Nachrichten bezeichnet wurden. Diese wurden schon vor Gutenbergs Erfindung der Druckpresse mit beweglichen Lettern verbreitet, indem im Tiefdruckverfahren Abzüge eigens geschaffener Holzschnitte vervielfältigt wurden. Ihren Siegeszug als Informationsmedium Nr. 1 trat die Zeitung, nun mit beweglichen Lettern schnell und in hoher Auflage gedruckt, jedoch erst in den religiösen und politischen Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jahrhunderts an.

Beispiel einer Renaissance-Antiqua von Aldus Manutius.

Beispiel einer Renaissance-Antiqua von Aldus Manutius.

Mit seiner Erfindung revolutionierte Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg (1400-1468) die Produktion von Büchern, jedoch nicht deren Form. Diese entwickelte sich – wie könnte es anders sein – im Mittelalter. Zuvor war die Schriftrolle die gängige Form gewesen, in der längere Texte niedergeschrieben und aufbewahrt wurden, denn der am weitesten verbreitete Beschreibstoff der Antike war Papyrus, der nur von einer Seite beschrieben werden konnte und sich nicht ohne Beschädigungen knicken ließ. Doch der Papyrus wuchs in Ägypten, musste also teuer nach Europa importiert werden, wo er zudem das kalte und feuchte Klima schlecht vertrug.
Alternativen mussten her, zumal das sich ausbreitende Christentum einen enorm anwachsenden Bedarf an Schriftgut mit sich brachte. Pergament, die ungegerbte Haut von Ziegen, Schafen oder Kälbern, war zwar ebenfalls seit dem Altertum bekannt, seine Herstellung jedoch aufwändiger und teurer als die des Papyrus‘. Dafür ließ es sich von beiden Seiten beschreiben, war unempfindlicher gegenüber der Feuchtigkeit und konnte gefaltet werden.
Zusammen mit dem „neuen“ Beschreibstoff verbreitete sich daher eine neue Buchform: der Codex. Seine Bezeichnung leitet sich ab vom lateinischen Wort caudex für Baumstamm oder Holzklotz, denn nachdem die Pergamentbogen gefalzt und am Rücken vernäht waren, wurden sie in hölzerne Buchdeckel eingefasst, die meistens mit Leder bezogen waren und reich verziert sein konnten. Einige trugen Schließen oder Schnallen und verfügten über kleine Messing- oder Bronzebuckel, so genannte Schonerknöpfe auf ihrer Vorderseite. Denn bis ins 17. Jahrhundert wurden Bücher überwiegend liegend gelagert.
Die neue Form der Bücher bot etliche Vorteile gegenüber der Papyrusrolle. Da die Seiten beidseitig genutzt werden konnten, ließ sich doppelt so viel Text auf der gleichen Fläche unterbringen; das sparte Platz und Material. Außerdem waren sie durch die Buchdeckel besser geschützt, und ein bestimmter Text ließ sich in einer umfangreichen Bibliothek leichter finden, indem man einfach den Titel oder ein bestimmtes Kürzel auf dem Buchrücken anbrachte. Und schließlich waren einzelne Textstellen einfacher ausfindig zu machen als auf einer Rolle: man konnte die Bogen oder Seiten nummerieren oder einen Index anlegen, was besonders bei den täglichen Bibellesungen von größtem Nutzen war.

Schreibstube eines spätmittelalterlichen Schreibers (Jean Miélot).

Schreibstube eines spätmittelalterlichen Schreibers (Jean Miélot).

Die Form der mittelalterlichen Codices erscheint uns heute vertraut, denn es hat sich nicht viel daran verändert. Allerdings bekommen wir nur noch selten in Leder gebundene Bände in die Finger, und das Pergament ist ganz aus der Buchproduktion verschwunden. Stattdessen kommt Papier zum Einsatz, das allerdings – man ahnt es schon – ebenfalls bereits im Mittelalter verwendet wurde. Erfunden wurde es von den Chinesen schon einige Jahrhunderte vor Christus, doch nach Europa gelangte es erst im 9. oder 10. Jahrhundert über die islamischen Länder. Eine eigenständige Papierproduktion entwickelte sich zuerst in Spanien und Frankreich, in Deutschland gründete der Nürnberger Kaufmann Ulman Stromer 1390 die erste Papiermühle.
Der Rohstoff zur Papierherstellung war damals noch nicht Holz, sondern Lumpen, die in Fetzen gerissen, in Wasser gestampft und zu einem Brei verrührt wurden. Mit einem Siebrahmen, durch den das Wasser ablaufen konnte, wurde diese so genannte Pulpe aus der Bütte geschöpft, auf Filze gestürzt und in einer Presse vom restlichen Wasser befreit. Nach dem Trocknen auf langen Leinen wurden die Bogen in einer Leimlösung getränkt, damit sie später die Tinte besser aufnehmen konnten, erneut getrocknet und schließlich sortiert, gestapelt und in Massen verkauft.
Papier war billig, schnell und in großen Mengen produzierbar, in Sachen Haltbarkeit und Ästhetik jedoch ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem Pergament. In dieser Hinsicht wäre zu wünschen, wir wären von noch ein wenig mehr Mittelalter umgeben als dies ohnehin schon der Fall ist.

Buchtipp:

Lebende Bilder aus dem Luttrell-Psalter

Als Psalter bezeichnet man ein liturgisches Werk, das die König David zugeschriebenen 150 Gebete und Gesänge der Psalmen umfasst. Er diente Geistlichen wie Laien gleichermaßen als Andachtsbuch und wurde im Laufe einer Woche in den Stundengebeten einmal komplett gelesen bzw. gesungen. Ergänzt wurden die Psalmentexte mitunter durch weitere Gebete wie das Vaterunser oder Mariengebete, das Glaubensbekenntnis, ein Antiphon, Kalendarium o.ä.

Psalter zählten in illuminierter Form oder als reine Textausgaben zu den am weitesten verbreiteten Buchformen des Mittelalters. Bei einigen der prachtvollsten erhaltenen Handschriften handelt es sich um Psalter, die mitunter zu Krönungen oder Eheschließungen von Herrschern angefertigt wurden.

Zu den bekanntesten und interessantesten zählt der sogenannte Luttrell-Psalter, der sich heute unter der Signatur Add. MS 42130 in der British Library in London befindet. Er wurde ungefähr zwischen 1325 und 1340 von unbekannten Schreibern und Illuminatoren angefertigt. Auftraggeber war Sir Geoffrey Luttrell (1276-1345), ein wohlhabender adeliger Landbesitzer aus Irnham in Lincolnshire.

Berühmte Darstellung mittelalterlicher Bogenschützen beim Training.

Berühmte Darstellung mittelalterlicher Bogenschützen beim Training.

Bemerkenswert ist der Luttrell-Psalter vor allen Dingen wegen seiner zahlreichen ausdrucksstarken Darstellungen von Alltagsszenen. Die Mediävistik und insbesondere die Kostümforschung hat das Werk schon seit geraumer Zeit als wertvolle Quelle zu Bekleidung, Ausstattung und Alltag sowie haus- und landwirtschaftlichem Gerät der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entdeckt.

Eine Gruppe namens WAG Screen, die sich der filmischen Dokumentation von Geschichte und Kultur in Lincolnshire verschrieben hat, machte sich im Jahr 2008 daran, Szenen aus dem Luttrell-Psalter originalgetreu in Szene zu setzen. Bekleidung, Gerätschaften und Szenerie wurden anhand der Miniaturen der Handschrift rekonstruiert, und im Verlauf eines Jahres wurden die einzelnen Szenen an verschiedenen historischen Schauplätzen in bewegte Bilder umgesetzt.

Zwei Männer pflügen mit einem Ochsengespann. Die Szene ist erstaunlich detailreich, insbesondere die Darstellung des Pflugs lässt deutlich einzelne Konstruktionsmerkmale erkennen.

Zwei Männer pflügen mit einem Ochsengespann. Die Szene ist erstaunlich detailreich, insbesondere die Darstellung des Pflugs lässt deutlich einzelne Konstruktionsmerkmale erkennen.

Der „Luttrell Psalter-Film“ kommt ohne Text aus und bietet dennoch einen wunderbaren Einblick in das ländliche Leben des 14. Jahrhunderts. Eine sehr gelungene Umsatzung einer originellen und absolut nachahmenswerten Idee – es gibt noch zahlreiche illuminierte Handschriften aus dem Mittelalter, die es verdienen, in bewegte und lebendige Bilder übertragen zu werden.

Weitere Informationen sowie Hinweise auf andere spannende Projekte gibt es auf der Seite der Macher: http://www.luttrellpsalter.org.uk. Auf dem YouTube-Kanal von WAG Screen finden sich außerdem weitere Filme und Szenen „hinter den Kulissen“.

Copyright – Ein Kommentar aus dem Mittelalter

Colum Cille, auch genannt Columban der Ältere oder Columban von Iona, war ein irischer Mönch und Missionar des 6. Jahrhunderts. Geboren 521 oder 522 im heutigen County Donegal, wurde er einer von zwölf Schülern des heiligen Finnian, die später als „Zwölf Apostel Irlands“ werden sollten. Über seinen Vater war er mit dem mächtigen und kriegerischen Clan der Uí Néill verwandt, die damals über die Provinz Ulster herrschten und den Titel des Hochkönigs von Irland beanspruchten.

Darstellung des hl. Columba in einem Buntglasfenster in St. Margaret's Chapel, Edinburgh Castle.

Darstellung des hl. Columba in einem Buntglasfenster in St. Margaret's Chapel, Edinburgh Castle. (Quelle: Wikipedia/Wikicommons)

Um das Jahr 560 besuchte Colum Cille seinen alten Lehrmeister Finnian in dessen Kloster Drumm Finn. In dessen Bibliothek entdeckte er einen prächtigen Psalter und bat seinen Besitzer, ihn abschreiben zu dürfen. Bücher waren zu jener Zeit in Irland noch überaus rar, und es war üblich, dass einzelne Werke von einem Kloster an das nächste ausgeliehen wurden, um Kopien anzufertigen, oder dass Mönche von Kloster zu Kloster reisten, um Abschriften zu erstellen.

Finnian allerdings verweigerte seinem ehemaligen Schüler die Genehmigung, den betreffenden Psalter zu kopieren. Daraufhin entschloss sich dieser, es heimlich dennoch zu tun, und ging im Skriptorium des Klosters sogleich ans Werk. Finnian jedoch entdeckte die Abschrift und ließ sie konfiszieren, da Colum Cille gegen seinen ausdrücklichen Willen gehandelt habe. Dieser jedoch argumentierte, dass es sich bei der Kopie um sein eigenes Werk handele und er ja nicht das Original zu entwenden trachtete.

Der Disput zog sich einige Zeit lang hin, und schließlich wurde der Fall dem König von Tara, Diarmait mac Cerbaill vorgelegt und dieser um eine Entscheidung gebeten. Das Urteil des Herrschers lautete: „Die Kopie gehört zum Buch wie das Kalb zur Kuh.“

Seite aus dem Buch "Cathach", bei dem es sich um den von St. Columba widerrechtlich kopierten Psalter handeln soll. (Quelle: Wikipedia/Wikicommons)

Seite aus dem Buch "Cathach", bei dem es sich um den von St. Columba widerrechtlich kopierten Psalter handeln soll. (Quelle: Wikipedia/Wikicommons)

Colum Cille war mit dieser Entscheidung erwartungsgemäß alles andere als zufrieden und verfluchte den König. Wahrscheinlich ist es daher mehr als Zufall, dass sich die Familie des streitbaren Mönchs 561 bei Cúl Dreimne eine erbitterte Schlacht mit dem Clan des Königs lieferte, bei der auf beiden Seiten zahlreiche Krieger ums Leben kamen.

Eine Synode verurteilte Colum Cille daraufhin und drohte, ihn zu exkommunizieren. Doch der heilige Brendan setzte sich für ihn ein und erwirkte, dass das Urteil in Verbannung umgewandelt wurde. Colum Cille erklärte sich bereit, als Missionar nach Schottland zu gehen und so viele Menschen zu bekehren, wie in der Schlacht getötet worden waren. Er begann seine Missionstätigkeit im Jahr 563 und kehrte nur einmal für einen kurzen Besuch in sein Heimatland Irland zurück.

Colum Cille starb 597 in dem von ihm gegründeten Kloster auf Iona. Er gilt heute als einer der erfolgreichsten Missionare und bedeutendsten Heiligen Irlands. Wenig verwunderlich, dass er auch als Schutzpatron der Buchbinder Verehrung findet …

Bei der von Colum Cille angefertigten Kopie soll es sich übrigens um das Buch „Cathach“ („Krieger“) handeln, dass sich heute in der Royal Irish Academy in Dublin befindet.