Fundstücke KW 17

Niklas Hofbauer präsentiert in seinem Blog regelmäßig „Neues aus der Gotik“ und stellt oft wunderbare Messer und andere selbstgefertigte Objekte vor. Diese Woche war es stattdessen mal eine Bibliographie zu Literatur über Kleidung und persönliche Ausstattung des 14. Jahrhunderts.

Interessant für Studierende der Geschichte: Vom 13. bis 19. September findet in Leipzig ein Sommerkurs „Einführung in die Handschriftenkultur des Mittelalters“ statt. Dank der Förderung durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung werden Kosten  für Anreise, Unterkunft und Übernachtung übernommen. Ein erstklassiges Angebot!

Nicht nur in Ellwangen gibt es ein Alamannenmuseum, sondern auch in Vörstetten. Darüber und über die Zweiklassengesellschaft der Museen in Baden-Württemberg berichtet die Badische Zeitung.

Matt Easton von der Schola Gladiatoria befasste sich diese Woche in einem neuen Video mit den Schwierigkeiten, frühmittelalterliche (und ältere) Kampftechniken mit Schwert und Schild zu rekonstruieren, für die es keine schriftliche Überlieferung gibt.
Da er sich dabei direkt an Forscher & Praktiker wie „Dimicator“ Roland Warzecha wandte, veröffentlichte dieser einen Kommentar dazu auf Facebook (leider alles nur auf Englisch).

Fokus Handschrift präsentierte in dieser Woche ein Rätsel vom Hof Karls des Großen:

Rtselraten am KarolingerhofAls Leiter der Hofschule Karls des Groen hatte Alkuin dafr zu sorgen, dass sowohl der…

Posted by Fokus Handschrift – Buch und Schrift im Mittelalter on Samstag, 25. April 2015

St. Georg und das deutsche Bier

Der 23. April ist der Tag des heiligen Georg, eines spätantiken Märtyrers, der vor allem als Drachentöter Bekanntheit erlangt und Darstellung gefunden hat.

Traditionell markierte der Georgstag das Ende der Brausaison, die am 29. September, dem Tag des Erzengels Michael begonnen hatte. Aufgrund mangelnder Kühlmöglichkeiten war es im Mittelalter praktisch unmöglich, während der heißen Sommermonate ein qualitativ hochwertiges Bier herzustellen. Vielerorts wurde daher im Frühjahr noch einmal ein besonders starkes und damit lange haltbares „Lagerbier“ gebraut, regional z.B. als Märzen bekannt.
Das meiste Bier wurde im Mittelalter frisch gebraut getrunken, d.h. wenige Tage bis Wochen nach Abschluss der Gärung. Wiederum verhinderten fehlende Kühlmöglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten des Transports und der Unterbringung eine allzu lange Lagerung.

Bierbrauer im Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung (Nürnberg, Stadtbibliothek, Amb. 317.2°, fol. 20v.)

Bierbrauer im Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung (Nürnberg, Stadtbibliothek, Amb. 317.2°, fol. 20v.)

Gleichwohl wurde auch während der braufreien Sommermonate Bier ausgeschenkt und konsumiert. Dabei galten, wie bei den meisten Lebensmittel, obrigkeitlich festgesetzte Höchstpreise. So heißt es etwa in einem Mandat Herzog Wilhelms IV. von Bayern:

„Item wir ordnen / setzen / und wöllen mit Rathe unnser Lanndtschaft / das füran allennthalben in dem Fürstenthumb Bayrn / auff dem Lande / auch in unnsern Stettn unn Märckthen / da deßhalb hieuor kain sonndere ordnung ist / von Michaelis biß auff Georij / ain mass oder kopffpiers über ainen pfenning Müncher werung / unn von sant Jorgentag / biß auff Michaelis / die mass über zwen pfenning derselben werung / und derenden der kopff ist / über drey haller / bey nachgesetzter Pene / nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. „

Eine Maß Winterbier sollte also für einen Münchner Pfennig, die Maß Sommerbier für nicht mehr als zwei Pfennig zu haben sein.
Derartige Höchstpreistaxen waren seit dem 13. Jahrhundert weit verbreitet und regelten den Verkaufspreis von Fisch, Fleisch, Brot, Wein, Wachs und zahlreichen anderen Produkten. Um jedoch zu verhindern, dass Hersteller ihren Gewinn zu Lasten der Qualität zu maximieren versuchten, wurden oft auch gleich die zulässigen Zutaten geregelt.
Und so heißt es auch in der bayerischen Bierpreisordnung weiter:

„Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unn auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer stückh / dann allain Gersten / Hopfen / unn wasser / genommen unn gepraucht sölle werdn.“

Das war allerdings keine revolutionäre Neuerung. Das zitierte Gesetz war keineswegs das erste, weder in Bayern noch in anderen deutschen Herrschaften, welches die Zutaten des Bieres auf Gerste, Hopfen und Wasser beschränkte. Schon seit dem 14. Jahrhundert wurden Versuche unternommen, die Beimischung billigeren Getreides, verschiedener Ersatzstoffe, vor allem aber aller erdenklichen Kräutermischungen (der sogenannten Grut) zu unterbinden, von denen manche – wie etwa das beliebte Bilsenkraut – gesundheitsschädliche Wirkungen haben konnten.

Doch dank der Zufälle und Willkür der Quellenüberlieferung war es jenes Mandat WIlhelms IV., das im 19. Jahrhundert von romantisch und regionalpatriotisch gesinnten Historikern wiederentdeckt wurde und seither als „bayerisches“, später „deutsches Reinheitsgebot“ eine ebenso erstaunliche wie fragwürdige Karriere erlebt hat. Was als Höchtspreistaxe erlassen worden war, diente deutschen Bierbrauern 500 Jahre später als Marketinginstrument, als Schutzmaßnahme gegen ausländische Konkurrenz, als traditions- und damit identitätsstiftendes Werkzeug der Image-Pflege.

Erlassen wurde diese bayerische Bierpreistaxe am 23. April 1516. Konsequenterweise wurde der Tag des hl. Georg daher vom Deutschen Brauer-Bund 1994 zum „Tag des deutschen Bieres“ erhoben. Als solcher dürfte er zumindest hierzulanden den Gedenktag des Drachentöters an Beliebtheit deutlich übertreffen …

Zur Feier dieses Bier-Festtags hier ein Rezept für ein mittelalterliches Festtags-Bier, garantiert NICHT nach dem „Reinheitsgebot“ gebraut:

Grut-Bier nach einem Rezept des 14. Jahrhunderts

  • 4,5 l Wasser
  • 1,5 Pfund Malz („English Pale“)
  • 1,5 Pfund Karamellmalz
  • Flüssige Bierhefe („Pale Ale“)
  • 1,5 g Gagel
  • 1,5 g Sumpfporst
  • 1,5 g Schafgarbe

Wasser auf 75°C erhitzen. Soviel davon auf das geschrotete Malz gießen, bis eine steife Maische entsteht. Abgedeckt drei Stunden lang stehen lassen.
Langsam mit 75°C heißem Wasser besprenkeln, bis 4,5 l Gesamtmenge erreicht sind. Kräuter zufügen und Würze 1,5 h lang kochen lassen.
Auf ca. 20°C abkühlen lassen, dann in Gärbehälter abseihen. Hefe zufügen und mit Gärstopfen verschließen. Bei Zimmertemperatur gären lassen, bis der Gärvorgang vollständig abgeschlossen ist.
In Flaschen abfüllen, verschließen und vor Genuss vier Monate reifen lassen.

Prost!

Hinweis: Die Verwendung dieses Rezepts erfolgt auf eigene Gefahr und Verantwortung! Grundregeln der Küchenhygiene und gesetzliche Regelungen zur Hausbrauerei beachten. Der Autor übernimmt keine Verantwortung. Maßvoll konsumieren!


 

Fundstücke KW 16

Das Handwerk stirbt aus – und erlebt eine Renaissance. So ungefähr lautet der Tenor eines Artikels von Pia Ratzesberger in der SZ.

Auf „Das Mittelalter – der Blog“ findet sich diese Woche ein Beitrag über Haithabu und das zugehörige Museum.

In „Ausgegraben“ berichtet Archäologin Angelika Franz diese Woche in einem etwas substanzlosen Artikel über die Verwendung von Giftpfeilen. Abzulehnen ist die vollkommen aus der Luft gegriffene Aussage der zitierten „Expertin“, Pfeile mit unvergifteter Steinspitze seien nicht wirkungsvoll genug gewesen, ein Tier von der Größe eines Hirschs zu töten!

Am 19. März hielt Roland Warzecha im Archäologischen Museum Hamburg einen Vortrag über den mittelalterlichen Kampf mit Schwert und Schild, der (leider nicht eingebettet werden kann, aber) nun als Video auf Youtube abrufbar ist.

Auch der J. Paul Getty-Trust hat ein Video veröffentlicht, in Anlehnung an eine bekannte Fantasy-Serie im Fernsehen „Game of Manuscripts“ genannt …

 

War das Trinken von Wasser im Mittelalter tabu?

Selbst in eigentlich seriösen Publikationen zu Alltagsleben oder Ernährung im Mittelalter ist immer wieder zu lesen, aus Angst vor Krankheiten oder schlechten Einflüssen auf die Körpersäfte hätten die Menschen jener Zeit kein Wasser getrunken. Stattdessen seien Bier und Wein die alltäglichen Getränke gewesen, die sogar schon Kindern verabreicht wurden, wenn auch in verdünnter Form. (Es stellt sich die Frage: Womit verdünnt, wenn doch kein Wasser getrunken werden sollte?)
Der Mythos ist inzwischen so verbreitet, dass sich kaum jemand je die Mühe macht, ihn anhand von Quellen zu belegen. Der Grund dafür ist simpel: Ein solcher Beweis wäre unmöglich, entsprechende Belege existieren nicht. Die Behauptung, im Mittelalter hätten die Menschen kein Wasser getrunken, beruht auf mangelnder Kenntnis der schriftlichen Überlieferung bzw. deren Missinterpretation und ist inzwischen zu einem Selbstläufer geworden, einer vermeintlichen Gewissheit, die selbst von renommierten Forschern nicht mehr hinterfragt wird. In den Worten des Historikers Ernst Schubert:

„Fiktionen können geschichtsmächtiger als Fakten sein.“

Tatsächlich finden sich in spätantiken und mittelalterlichen Quellen durchaus Hinweise auf den Konsum von Wasser, doch sie sind weit verstreut und längst nicht so verbreitet wie Angaben zum Genuss von Bier oder Wein. Der Grund dafür ist jedoch nicht in einer Verachtung des Wassers als Getränk zu suchen. Im Gegenteil: Das Trinken von Wasser war so normal, alltäglich und verbreitet, dass es kaum der Erwähnung wert war. Während Wein und Bier über weite Entfernungen gehandelt, ihre Herstellung obrigkeitlich geregelt und ihr Verkauf besteuert wurde, war das beim Trinkwasser nicht der Fall. Wenn alkoholhaltige Getränke vielfach als Teil des Naturallohns etwa von Bauarbeitern erwähnt werden, bedeutet dies keineswegs, dass sie Wasser als Alltagsgetränk vollständig ersetzt haben müssen – sie dienten vielmehr als nahrhafte Ergänzung, die der Kräftigung des Körpers, nicht dem Löschen von Durst dienen sollten.

Trinken von Quellwasser. Tacuinum sanitatis, ca. 1390-1400. (Paris, BNF NAL 1673, fol. 96r.)

Trinken von Quellwasser. Tacuinum sanitatis, ca. 1390-1400. (Paris, BNF NAL 1673, fol. 96r.)

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Fundstücke KW 15

Im Hoch- und Spätmittelalter, bis zum Aufkommen zuverlässiger, großkalibriger Kanonen, war der Tribok oder die Blide (engl./frz. trebuchet) die effektivste und am meisten gefürchtete Belagerungswaffe. Heutzutage beeindrucken Vorführungen mit Nachbauten in Originalgröße noch immer, und dass die Schleudern nichts von ihrer Gefährlickhkeit eingebüßt haben, bewies in dieser Woche die Zerstörung eines Bootshauses bei Warwick Castle durch ein brennendes Geschoss aus einer solchen Blide. Engl. Beschreibung mit Video, Links etc. auf medievalhistories.com.
Siehe auch den bereits früher schon verlinkten Beitrag auf Das Mittelalter- Der Blog von Daniel Ossenkop.

Mitten im nordenglischen Leeds fand über die Osterfeiertage das Royal Armouries Easter Tournament 2015 statt. Wie im Mittelalter bestand das Turnier aus verschiedenen Disziplinen, außerdem gab es ein umfangreiches Rahmenprogramm. Bilder und Berichte fanden sich diese Woche u.a. auf der Facebook-Seite der RATournaments sowie auf verschiedenen Blogs wie lde oder Judge-Tutor Semple, dazu gibt es kurze Video-Loops auf vine.com.

Die Terrorgruppe IS versucht, im Nahen Osten eine religiöse Diktatur zu errichten und tötet dafür nicht nur Menschen, sondern zerstört auch in wachsendem Ausmaß unwiederbringliche Kulturgüter. Zuletzt wurden die Überreste der historischen (biblischen) Stadt Nimrud gesprengt. Rainer Schreg dokumentiert die Zerstörungen sowie die damit einhergehende Propaganda und Berichterstattung auf seinem Blog archaeologik.de.

In Zeiten sinkender Grabungsetats werden archäologische Entdeckungen gerne als „Sensationsfunde“ bezeichnet, um ihre Bedeutung ein wenig aufzupeppen und damit finanzielle Unterstützung einwerben zu können. In diesem Fall jedoch ist die Bezeichnung wohl absout gerechtfertigt: Ein Fund der Merowingerzeit in der Wetterau enthält nicht nur beeindruckende Schmuckstücke, sondern sogar Textilreste, was in unseren Breiten überaus selten vorkommt! Die Frankfurter Rundschau berichtet.

Christian Cameron: The Ill-Made Knight und The Long Sword

Zugegeben: Es waren historische (und Fantasy-) Romane, die einst mein Interesse am Mittelalter geweckt haben. Doch wenn darin von Rittern in glänzenden Rüstungen die Rede war, wollte ich immer schon wissen, wie diese eigentlich hergestellt wurden; wenn von Festmählern berichtet wurde, fragte ich mich, was wohl auf den Tisch kam, wer das Essen zubereitete und wie; bei der Beschreibung einer Burg stellte sich mir unweigerlich die Frage, wie diese errichtet werden konnte; etc.
Antworten auf diese Fragen habe ich in anderen Büchern gefunden, und seit etlichen Jahren – seit ich die Beschäftigung mit (mittelalterlicher) Geschichte zu meinem Beruf gemacht habe – lese ich fast gar keine historischen bzw. Mittelalter-Romane mehr. Nicht, weil sie zu wenig auf die oben genannten Fragen eingehen, sondern weil sie größtenteils einfach schlecht sind: Schlecht recherchiert, schlecht konstruiert, schlecht erzählt – oft genug das alles auf einmal!
Selbst Autoren, die in vielen Details dem realen historischen Alltag (soweit wir ihn überhaupt rekonstruieren können) recht nahe zu kommen scheinen, scheitern meist daran, sich in die fremdartige Mentalität ihrer Figuren hineinzuversetzen – sofern sie es überhaupt versuchen. In den meisten und gerade in den besonders populären Fällen scheint es moderne Menschen in ein mehr oder weniger mittelalterliches Szenario verschlagen zu haben, werden gesellschaftliche Zustände, Grenzen und Zwänge der Zeit allenfalls dargestellt, um sie von (bevorzugt weiblichen) Protagonisten überwinden zu lassen.
Das Hauptproblem des Genres besteht nicht in der Konstruktion der Geschichten, der Anpassung der historischen Chronologie an die Bedürfnisse der Erzählung, der Erfindung biographischer Details, noch nicht einmal in der möglichst korrekten Schilderung von Bekleidung, Handwerk, Handel, Kriegswesen u.ä., sondern in der fehlenden Glaubwürdigkeit der Welt, in der sie angesiedelt sein sollen.

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Fundstücke KW 14

Der Lipper Hellweg war im Mittelalter die bedeutendste Reise- und Handelsroute der Region. Spuren davon wurden nun bei Ausgrabungen auf dem Paderborner Domplatz entdeckt, wie die Lippische Landes-Zeitung berichtet.

Der Nürnberger Scharfrichter Meister Frantz führte über seine Arbeit genau Buch. Mit Hilfe dieser Quelle rekonstruiert der Historiker Joel Harrington das Leben und Wirken dieses Henkers im 16. und 17. Jahrhundert. Die Welt beleuchtet das Werk.

Der Bayerische Rundfunk und „alpha Campus“ haben unter dem Titel „Überall ist Mittelalter“ eine (bislang) sechsteilige Reihe interessanter Vorträge zu mittelalterlichen Themen ins Netz gestellt.

Und noch ein Video, dieses von Spiegel Online über historisches Fechten als moderner Sport: „Trendsport Schwertkampf„.

Der Osterhase ist eine moderne Erfindung. Im Mittelalter traute man den Langohren offenbar nicht so recht über den Weg, wie die Sammlung von Darstellungen mittelalterlicher „Killer-Hasen“ und „Psycho-Karnickel“ von Discarding Images vermuten lässt.

Auf einem Windhund reitender Hase mit Jagdschnecke. Pontificale des Guillaume Durand, vor 1390 (Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève, ms. 143, fol. 165r).

Auf einem Windhund reitender Hase mit Jagdschnecke. Pontificale des Guillaume Durand, vor 1390 (Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève, ms. 143, fol. 165r).

April

Während die meisten Monate nach römischen Gottheiten benannt sind (z.B. Januar, März) oder auf ihre ehemalige Rangfolge im Jahreslauf verweisen (z.B. September – der Siebte, Oktober – der Achte etc.), ist der Ursprung des Namens „April“ ungeklärt. Ein Bezug zur Liebesgöttin Aphrodite erscheint unwahrscheinlich, da deren römischer Name Venus lautete. Möglich ist eine Verbindung zum lateinischen Verb aperire, öffnen und damit zum Aufblühen der Natur, doch wäre eine solche Bezeichnung die Ausnahme im römischen Kalender. Weiterlesen