„Europas heimliche Großmacht 1150-1600“ lautet der Untertitel der aktuellen Ausgabe von GEO Epoche, die sich mit der Geschichte dieser noch immer rätselhaften Vereinigung befasst. Was im 12. Jahrhundert als eher loser Zusammenschluss einiger norddeutscher Kaufleute begann, entwickelte sich zu einem Städtebund und einer nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen und sogar militärischen Großmacht, die Kriege führen und Monarchien in die Krise stürzen konnte, große Teile des europäischen Handels kontrollierte, und dennoch zu keinem Zeitpunkt eine langfristige Strategie und die zugehörigen festen Institutionen etablierte. Die Hanse hinterließ weder eine Gründungsurkunde noch ein Dokument, das ihre Auflösung bekundete.
Anfang und Ende dieser machtvollen Organisation liegen also im Dunkeln, doch in der Zeit dazwischen gestaltete die Hanse europäische Politik direkt und indirekt in kaum zu ermessender Weise.
Das Heft folgt dieser rund fünfhundertjährigen Geschichte anhand herausragender Ereignisse, prägender Gestalten und bedeutender Errungenschaften. Vorgestellt werden Gestalter, Gegner, Konkurrenten und Verbündete, die charakteristische Architektur der „Backstein-Gotik“ oder das typische Handelsschiff der Hansekaufleute, die in vielen Stadtwappen verewigte Kogge.
GEO Epoche will Geschichte anschaulich, unterhaltsam und dennoch faktisch korrekt vermitteln. Besonders gut gelingt das immer dann, wenn die historischen Ereignisse mit dem Wirken einzelner Personen verknüpft werden, so im Fall des Dortmunder Kaufmanns Tidemann Lemberg, des Lübecker Bürgermeisters und Kaperfahrers Paul Beneke oder des Kölner Diplomaten Heinrich Sudermann. Auch der Alltag in Lübeck gegen Ende des 13. Jahrhundert oder eine Überfahrt nach Bergen um 1400 werden sehr anschaulich und lebendig beschrieben.
Drei der Beiträge sind mit digitalen Rekonstruktionen illustriert, die neuartige Einblicke in die Zeit des Mittelalters gewähren. Sie sind jedoch stets auch mit Vorsicht zu betrachten, denn bei aller Orientierung an archäologischen Erkenntnissen und historischer Überlieferung bleiben sie doch immer zu nicht unerheblichen Teilen Spekulation.
Ganz realen optischen Genuss bietet die Bildstrecke noch erhaltener Meisterwerke der hansischen Backsteinarchitektur. Ansonsten dienen überwiegend zeitgenössische und andere historische Abbildungen der Anschaulichkeit.
Markante Wendepunkte und Entwicklungen werden mit Hilfe von Karten und zweiseitigen Erläuterungen kurz zusammengefasst, zu jedem Beitrag gibt es Literaturempfehlungen, eine Zeittafel fasst die Geschichte der Hanse abschließend noch einmal auf sechs Seiten zusammen.
Insegsamt ist die Ausgabe der GEO Epoche zur Hanse ein rundum gelungenes Heft, das einen spannenden und informativen Einblick in die Geschichte des Kaufmannsbündnisses gewährt. Die Themenschwerpunkte sind gut gewählt, bilden sie doch politische, finanzielle, technische, künstlerische und biographische Aspekte ebenso ab wie wirtschafts-, sozial-, ereignis- und militärhistorische. Die Autorinnen und Autoren verstehen es, Geschichte auf aktuellem Forschungsstand anschaulich und lebendig zu vermitteln und auch einem viel behandelten Thema noch neue Sichtweisen abzugwinnen.
Das (werbefreie!) Heft ist für € 10,- erhältlich, eine Ausgabe mit DVD kostet € 17,50.
Hier gibt es eine Leseprobe.