Am 26. Dezember 2014 zeigt das SWR Fernsehen um 14.15 Uhr die Sendung „EpochenKochen: Wie die Ritter tafelten“. Moderatorin Heike Greis und Starkoch Vincent Klink begeben sich auf die Suche nach Rezepten und Küchengeheimnissen des Mittelalters.
Obwohl (oder vielleicht weil?) ich mich in der Vergangenheit mehrfach kritisch mit der Darstellung des Mittelalters im deutschen Fernsehen auseinandergesetzt habe, wurde ich von der Produktionsfirma maz&more als historischer Berater und Experte in der Sendung engagiert. Die Vorbereitungen und die Dreharbeiten im September waren eine überaus interessante und aufschlussreiche Erfahrung!
Zunächst einmal war überraschend zu sehen, wie viele verschieden Unternehmen und Freischaffende an einer solchen Produktion beteiligt sind. „EpochenKochen“ ist eine Miniserie von drei Folgen à 45 Minuten, die im Tagesprogramm ausgestrahlt wird, vom SWR in Auftrag gegeben, von maz&more produziert, umgesetzt von Drehbuchautorin und Regisseurin Mirella Pappalardo, die wiederum Kameraleute, Toningenieure, Beleuchter, Requisiteure, Maskenbildnerin etc. anheuerte – es ist ganz schön viel los auf so einem Set!
Das bedeutet jedoch nicht, dass eine solche „Unterhaltungssendung mit Bildungsanspruch“ auch ein beeindruckendes Budget vorzuweisen hätte. Die GEZ-Millionen werden für Fußball-Übertragungsrechte, Spiel- und Talkshows, Intendantenbüro und dergleichen benötigt, nicht für historische Kochsendungen …
Dennoch waren alle Beteiligten sehr motiviert, geradezu enthusiastisch, ein gutes Produkt abzuliefern. Das betraf auch den historischen Hintergrund der Folge zum Mittelalter: Das Drehbuch zeugte von durchaus gründlicher Recherche und dem ernsthaften Bemühen, der historischen Wirklichkeit gerecht zu werden, wenngleich natürlich kein wissenschaftlicher Anspruch verfolgt wurde, sondern ein unterhaltender. Meine Kritik, Änderungen oder Ergänzungen hielten sich daher in sehr engem Rahmen. Auch bei den Dreharbeiten selbst hatte ich wenig auszusetzen, doch meine Einwände wurden gehört und in der Regel auch umgesetzt. Nur in manchen Fällen erhielt ich auf mein vorsichtiges „Das ist aber nicht authentisch …“ die typische Antwort der Filmemacher: „Sieht aber besser aus!“ Den viel zu modernen Wasserkessel konnte ich so leider nicht mehr verhindern, denn „der war schon im Bild, wir können das nicht noch einmal drehen!“
Wie so oft im Leben haben am Ende oftmals Budget und Zeitplan einen größeren Einfluss auf die Umsetzung eines Projekts als guter Wille, Fachwissen und selbst die gründlichste Vorbereitung. So fehlte dann beim abschließenden Festmahl die Tischdecke, auf die ich bei einer Szene zu mittelalterlichen Tischmanieren noch so großen Wert gelegt hatte – und es fiel mir selbst erst auf, als es zu spät war. Auch der Serviermodus ist historisch nicht ganz korrekt (die Nachspeise hätte erst später aufgetragen werden dürfen), doch da für die gesamte Tischszene nur wenige Minuten während des Abspanns zur Verfügung standen, mussten Kompromisse eingegangen werden.
Fazit
Insgesamt bot die Beteiligung an „EpochenKochen: Wie die Ritter tafelten“ einen spannenden und aufschlussreichen Einblick in die Umsetzung eines solchen TV-Projekts. Wenngleich der Unterhaltungsaspekt eindeutig im Vordergrund stand, wurde doch deutlich, dass dieser mit einer aufgeschlossenen und engagierten Regisseurin nicht zu Lasten einer möglichst korrekten Darstellung des Mittelalters gehen muss. Dazu trugen natürlich auch die Darstellerinnen bei, die ebenfalls ihr Fachwissen einbrachten und um eine möglichst authentische Repräsentation bemüht waren.
Die Darstellung von Geschichte im Fernsehen stellt letztlich immer einen Kompromiss dar, zwischen der historischen Realität bzw. dem Stand ihrer wissenschaftlicher Erforschung, der Erwartungshaltung der Zielgruppe, den Erfordernissen des Mediums, dem Anspruch der Produktion, dem Spielraum, den das Budget bietet etc. Das Ergebnis dieser Abwägungen wird und darf im Fall einer Kochsendung mit historischem Hintergrund anders aussehen als in einer expliziten Geschichtssendung. Doch in beiden Fällen ist es möglich, korrekt zu arbeiten, zugleich (intelligent) zu unterhalten und fundiert zu informieren – man muss es nur wollen!
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Ich kann diese Erfahrungen größtenteils bestätigen: In der Regel sind die Autoren und Regisseure durchaus aufgeschlossen. Aber sehr vieles ist schon festgelegt, bevor der Experte ins Spiel kommt (oft bereits bei der Genehmigung durch den Sender). Anderes lässt sich schlicht zeitlich oder finanziell nicht realisieren: Das fängt bei der Barttracht der Akteure an und endet bei der Hintergrundsmusik, die erst im Nachhinein ausgewählt und eingespielt wird. Der Berater vermag immer nur einige, kaum jemals alle Anachronsimen zu vermeiden. Leider gibt es mitunter auch budgetstarke Produktionen, die sich mit großem Selbstbewusstsein („Kennen Sie unsere Quoten?“) vom „Experten“ gar nicht ins Handwerk pfuschen lassen (Knopps Jungs).
So muss man als Berater die berechtigte Kritik ertragen, die sich nach Ausstrahlung manchmal in einschlägigen Foren erhebt („der Akkord wurde so nie gespielt“). Die Feuerwehr kann Brände auch nicht präventiv verhindern, nur eindämmen. Und jedem sollte klar sein, dass eine „authentische“ Rekonstruktion eine Chimäre ist, auch wenn man ihr bisweilen mit Eifer nachjagt.
„Die Darstellung von Geschichte im Fernsehen stellt letztlich immer einen Kompromiss dar, zwischen der historischen Realität bzw. dem Stand ihrer wissenschaftlicher Erforschung, der Erwartungshaltung der Zielgruppe, den Erfordernissen des Mediums, dem Anspruch der Produktion, dem Spielraum, den das Budget bietet etc.“
An dieser Aufzählung würde ich aber gerade die „Erwartungshaltung der Zielgruppe“ kritisch sehen. Wenn man der Zielgruppe nie etwas qualitativ hochwertigeres geboten hat, dann wird ihr vielleicht auch nicht bewusst sein, dass es besser geht; sicherlich schauen nicht nur Historiker solche Sendungen.
Aber ich denke, dass es qualitativ hochwertige Sendungen gerade deshalb schwer haben, weil die Verantwortlichen die Zielgruppe für dümmer oder anspruchsloser halten als sie tatsächlich ist. Wenn ich mir anschaue, was in Sendungen zur Geschichte im deutschen Fernsehen läuft, dann bin ich mir sicher, dass ein Format wie „Tudor Monastery Farm“ hier nicht produziert worden wäre. Leuten bei der Feldarbeit zuschauen interessiert die Zielgruppe ja bestimmt nicht…
Danke auf jeden Fall für diesen interessanten Artikel und den Einblick, den er bietet.