September

Der September ist der erste Monat des Jahres, der nicht nach einer Gottheit bekannt ist. Stattdessen deutet seine Bezeichnung auf die alte römische Zählung hin, die bis 153 v.u.Z. in Gebrauch war und das Jahr mit dem März beginnen ließ. Der September (lat. septem = sieben) war demnach der siebente Monat der Jahres, was in manchen mittelalterlichen Urkunden und Briefen seinen Niederschlag gefunden hat, wo zuweilen „7bris“, „VIIbris“ oder „7ber“ als Datierung zu lesen ist.
Alte deutschsprachige Namen lauten z.B. Holting oder Holzmond, Weinmonat oder Scheiding, da es nun heißt, vom Sommer Abschied zu nehmen. Um den 22. September herum fällt das Herbstäquinoktium, die Tag-und-Nacht-Gleiche: Die Sonne geht genau im Osten auf und im Westen unter, Tag- und Nachtphase sind exakt gleich lang, und wenn auch nicht der meteorologische, so doch immerhin der astronomische Herbst ist damit eingeläutet.
Im Mittelalter wurde dieses Ereignis mancherorts mit Stroh- oder Feldfeuern gefeiert, denn spätestens jetzt sollten die Felder abgeerntet und das Getreide gedroschen sein. Nicht selten wurden im September auch die ersten Erntedankfeiern abgehalten.

Das Ende des Sommers bedeutete jedoch keineswegs das Ende der Feldarbeit: Der September war vor allen Dingen die Zeit der Obsternte und der Weinlese. Beide Arbeiten mussten innerhalb eines recht engen Zeitrahmens erledigt werden, solange das Wetter hielt und bevor die Früchte am Baum, am Boden oder am Stock verfaulten, von Würmern, Raupen und Vögeln vernichtet wurden etc.

Kirschernte, Tacuinum Sanitatis, 14. Jahrhundert. Rom, Biblioteca Casanatense 4182, fol. 7.

Kirschernte, Tacuinum Sanitatis, 14. Jahrhundert. Rom, Biblioteca Casanatense 4182, fol. 7.

Insbesondere Äpfel und Birnen, daneben Pflaumen, Mispeln, Quitten, Erdbeeren und Kirschen wurden mindestens seit karolingischer Zeit systematisch angebaut. In der mittelalterlichen Küche spielten Obst eine gewichtige Rolle, sehr wahrscheinlich auch bei den „einfachen Leuten“, wenngleich sich das aufgrund fehlender Quellen nicht zweifelsfrei belegen lässt. Gerade während der Fastenzeiten dürften Früchte eine willkommene Ergänzung des kargen Speiseplans dargestellt haben.
Ihre Verderblichkeit erforderte allerdings entweder die sofortige Verarbeitung oder angemessene Konservierung. Äpfel und Birnen wurden vornehmlich gedörrt, im hohen und späten Mittelalter wurde Dörrobst in großen Mengen über den Rhein verschifft. Als Latwerge mit Honig, später auch Zucker eingelegt, war Obst eine beliebte Süßspeise als Dessert oder zum Naschen bei denen, die es sich leisten konnten. Ein gewisser Anteil wurde ohne Frage zu Saft, Most und Fruchtwein verarbeitet, doch auch darüber lassen sich aus Mangel an Quellen leider keine präzisen Aussagen treffen.

September: Weinlese in einem Psalter von ca. 1180. (Den Haag, Königliche Bibliothek, 76 F 13, fol. 9v.)

September: Weinlese in einem Psalter von ca. 1180. (Den Haag, Königliche Bibliothek, 76 F 13, fol. 9v.)

Wein wurde während der Warmphase des Mittelalters auch in Gegenden angebaut, die dafür heute nicht mehr geeignet erscheinen, z.B. in Südengland oder entlang der Ostseeküste – vielleicht spielten auch geringere Ansprüche an die Qualität eine Rolle. 
Die Weinlese war überaus personalintensiv, so dass vielerorts wandernde Lohnarbeiter (und -arbeiterinnen) als Hilfskräfte eingesetzt wurden. Die Trauben mussten von Hand geerntet, in Bütten zur Kelter transportiert und dort mit den Füßen gestampft werden. Diese Arbeiten sind bevorzugt auf den Kalenderblättern für September in den spätmittelalterlichen Stundenbüchern dargestellt.

Weinlese in den herzöglichen Weingärten: Der September im Großen Stundenbuch des Duc de Berry, 15. Jh. Chantilly, Musée Condé, Ms. 65, fol. 9v.

Weinlese in den herzöglichen Weingärten: Der September im Großen Stundenbuch des Duc de Berry, 15. Jh. Chantilly, Musée Condé, Ms. 65, fol. 9v.

Darüber hinaus begann im September der Holzschlag. Holz wurde im Mittelalter nicht nur in großen Mengen als Baumaterial benötigt – für Gebäude, Boote und Schiffe, Wagen, Brücken, Kräne, Belagerungsgerät etc. –, sondern auch zur Herstellung von Möbeln, Werkzeugen, Dachschindeln, Fässern, Eimern, Bütten und Wannen, für Zäune und Palisaden, als Rebpfähle im Weinbau, als Brennmaterial beim Kochen, Backen, Brauen, Färben, Salzsieden, zum Heizen, zur Erzeugung von Holzkohle und zahlreiche weitere Zwecke.
Das Holz wurde bevorzugt frisch verarbeitet, da insbesondere Harthölzern wie Eiche und Buche im getrockneten Zustand mit Handwerkzeugen nur schwer beizukommen ist. Ein großer Teil des wertvollen Bauholzes wurde im Spätmittelalter in den Höhenlagen von Schwarzwald, Thüringer und Bayerischer Wald, auf der Schwäbischen Alb, am Alpenrand und anderen Mittelgebirgen geschlagen, da die Vorräte im Flachland allmählich zur Neige gingen und herrschaftliche Jagdrechte vielerorts den Holzeinschlag verhinderten. Die Stämme mussten dann vor der Frostperiode die Flüsse entlang geflößt und getreidelt werden, um rechtzeitig zu ihrem Bestimmungsort zu gelangen.

Statt des üblichen September-Motivs der Weinlese zeigt Simon Bening im 16. Jahrhundert das Eggen, Pflügen und Säen des Wintergetreides. München, StB, cod. lat. 23638, fol. 10v.

Statt des üblichen September-Motivs der Weinlese zeigt Simon Bening im 16. Jahrhundert das Eggen, Pflügen und Säen des Wintergetreides. München, StB, cod. lat. 23638, fol. 10v.

Am 8. September wurde Mariä Geburt gefeiert, oft verbunden mit Dankritualen für die (hoffentlich) erfolgreiche Ernte. So wurden z.B. die letzten eingebrachten Feldfrüchte an diesem Tag zur Kirche gebracht und vom Priester gesegnet. Mancherorts wurden Strohpuppen angefertigt, die zunächst die Festtafel schmückten, ehe sie feierlich verbrannt wurden.
Das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September wurde in vielen Gegenden, insbesondere natürlich in Heilig-Kreuz-Kirchen, mit Gottesdiensten und Prozessionen gefeiert. Auch an diesem Tag wurde auf verschiedene Weise für die (hoffentlich) reiche Ernte gedankt.
Der Tag des Apostels Matthäus am 21. September fiel mit dem Äquinoktium zusammen, das zuweilen mit alten, auf heidnischen Bräuchen beruhenden Zeremonien zur Verabschiedung des Sommers begangen wurde, etwa mit Stroh- oder Feldfeuern, Feldumgängen u.ä., verbunden mit der Bitte um einen milden Winter und eine erneute reiche Ernte im kommenden Jahr.
Dem Erzengel Michael, dem Bezwinger Satans, wurde in vielen Teilen Europas besondere Verehrung zuteil. In Deutschland galt er seit dem Sieg Ottos über die Ungarn auf dem Lechfeld 955 als „Nationalpatron“. Sein Festtag am 29. September war jedoch auch in anderer Hinsicht von Bedeutung: In vielen Herrschaften und Städten wurden Steuern und Abgaben fällig, außerdem endete an diesem Tag die Heringssaison vor Schonen, die am 25. Juli begonnen hatte.
Vor allem jedoch galt Michaelis in vielen Regionen als Beginn der Brausaison: Bis zu St. Georg am 23. April durfte und konnte nun wieder Bier gebraut werden. Wer noch unverdorbene Vorräte besaß, sorgte dafür, dass Fässer und Keller leer wurden, damit sie mit dem frischen Bier gefüllt werden konnten. Manch Einer, der während des Sommers Zurückhaltung geübt (oder im Frühjahr gewaltige Vorräte angesammelt) hatte, dürfte daher den Beginn des Oktobers mit einem ordentlichen Vollrausch erlebt haben …

Ein Gedanke zu „September

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