Hagedorn: „Albrecht Dürer – Das Fechtbuch“

Dierk Hagedorn:

Dierk Hagedorn: „Albrecht Dürer – Das Fechtbuch“, Herne: VS-Books 2021.

Was habt Ihr während der Pandemie gemacht?
Dierk Hagedorn jedenfalls war fleißig, und so erscheint nur wenige Monate nach dem „Codex Amberger“ bereits der nächste von ihm bearbeitete Band der „Bibliothek der historischen Kampfkünste“.

Albrecht Dürer (der vor 550 Jahren geboren wurde) dürfte als Künstler weltweit bekannt sein. Der gelernte Goldschmied brillierte in verschiedenen Techniken wie Malerei, Zeichnung, Graphik, Kupferstich und Holzschnitt. Zu seinen berühmtesten Werken zählen neben seinen Selbstporträts die betenden Hände, der Feldhase oder seine Landsknecht-Darstellungen.
Doch Dürer beschäftigte sich auch Zeit seines Lebens mit verschiedenen Kampfkünsten und war maßgeblich an der Entstehung eines Fechtbuchs beteiligt, das heute in der Albertina in Wien aufbewahrt wird. Mit der vorliegenden Edition wird dieses streng gehütete Werk nun zum ersten Mal vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die von Dierk Hagedorn unter Mitarbeit von Daniel Jaquet und Vincent Deluz herausgegebene Ausgabe umfasst daher nicht nur die illustrierten Seiten zum Ringen, Dolch, Messer und Langen Schwert, sondern auch den reinen Textteil. Der Entstehung des Werks, den beteiligten Schreibern sowie benutzten Quellen sind Anhänge sowie ein Teil der Einleitung gewidmet.

Leider sind die reproduzierten Seiten gegenüber dem Original verkleinert, wahrscheinlich um die Produktionskosten in vertretbarem Rahmen zu halten. Dies hat zur Folge, dass zwar die überaus hochwertigen Darstellungen der jeweiligen Fechterpaare und der von ihnen angewandten Techniken noch gut zu erkennen sind, der Text allerdings schwer zu entziffern ist.
Wer sich nicht mit der Lupe über die Handschrift hermachen will, muss sich daher auf Hagedorns Transkription verlassen. Diese ist allerdings ebenso wie seine Übertragung in modernes Hochdeutsch von der gewohnt exzellenten Qualität, so dass es kaum Anlass gibt, sich dieser Mühe zu unterziehen.
Das gleiche gilt für die Übersetzung, die dem Sinn des Originals folgt und sich flüssig lesen lässt.

Die beschriebenen Kampftechniken stehen weitestgehend in der Liechtenauer-Tradition und sind teils wörtlich, teils in ähnlicher Form auch in anderen Fechtbüchern zu finden. Insbesondere für das Ringen standen Abbildungen und Text aus Baumanns Fechtbuch (früher bekannt als „Codex Wallerstein“) Pate, wenngleich die Darstellungen Dürers (oder seiner Werkstatt) nicht nur künstlerisch wertvoller, sondern meist auch detailreicher sind.
Demgegenüber weisen etliche Textabschnitte eine geradezu erstaunliche Menge von Fehlern und Auslassungen auf, die darauf hindeuten, dass der jeweilige Schreiber wohl Schwierigkeiten hatte, den Sinn des Textes zu erfassen oder vielleicht seine Vorlage nicht richtig entziffern konnte.
Die zahlreichen Fehler machen es schwierig bis unmöglich, Dürers Fechtbuch als Grundlage des Fechttrainings zu verwenden – zumindest nicht ohne alternative Überlieferungen als Vergleich heranzuziehen –, illustrieren aber auf anschaulichste das Problem der „stillen Post“, der Veränderung und Verfälschung der Fechtlehren im Verlauf ihrer Überlieferung.

Ein ausführliches Verzeichnis des Inhalts, eine Übersicht der Referenzmaterialien, der Wasserzeichen, der Schreiberhände sowie der Lagenstruktur sind in Form von Tabellen grafisch dargestellt.
In seiner Einleitung geht Dierk Hagedorn näher auf die beschriebenen Ringtechniken und insbesondere das sogenannte „Bauernringen“ ein. Insgesamt sind die ergänzenden Teile eher knapp gehalten, Reproduktion, Transkription und Übersetzung des Fechtbuchts machen rund 5/6 der 324 Seiten aus. Fachbegriffe werden in einem Glossar erläutert, am Ende findet sich ein Literaturverzeichnis.

Mit „Dürers Fechtbuch“ wird das große Puzzle der historischen Kampfkünste nach der „deutschen Schule“ um ein weiteres wichtiges Teil ergänzt. Wenngleich der kampftechnische Inhalt wenig Neues zu bieten hat, treten Traditionslinien der Überlieferung immer deutlicher zutage.
Für praktizierende historische Kampfkünstler sind die erstklassigen Illustrationen von besonderem Wert, Fechtbuchforscher*innen finden jede Menge Vergleichsmaterial, kunsthistorisch interessierte Leserinnen und Leser lernen eine ganz andere Seite Albrecht Dürers kennen. Ihnen allen ist die Anschaffung des Werkes daher uneingeschränkt zu empfehlen!
Wie üblich ist das Buch mit zwei Lesebändchen ausgestattet, schön gestaltet, hochwertig gedruckt und solide verarbeitet. Der Preis von € 38,80 geht daher voll und ganz in Ordnung.

VS-Books, Herne 2021. Geb., 324 S., zahlr. Abb. ISBN 978-3-932077-50-0. € 38,80.

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