Zuverlässig zum Ende eines jeden Jahres werden Listen der beliebtesten Vornamen für neugeborene Mädchen und Jungen in Deutschland veröffentlicht. Daraus lassen sich oftmals bestimmte Trends ablesen, etwa welche Schauspieler:innen, Fußballer:innen, Sänger:innen oder sonstigen Personen des öffentlichen Lebens gerade besonders angesagt sind oder welche Namen solche Prominente jüngst für ihre Kinder gewählt haben.
Dabei handelt es sich keineswegs um ein neuartiges Phänomen oder eine Entwicklung unserer medial geprägten modernen Gesellschaft: Bereits im Mittelalter lassen sich vergleichbare Tendenzen feststellen.
Zunächst waren es die Heiligen der römisch-katholischen Kirche, welche die Listen der beliebtesten Vornamen dominierten. Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit war es üblich, Neugeborene möglichst bald nach der Geburt zu taufen, und als Namensgeber diente dann häufig der Heilige, auf dessen Gedenktag das Datum fiel.
Diese Praxis erlangte im Zuge der Konfessionalisierung bzw. der Gegenreformation noch zusätzliche Bedeutung durch die Abgrenzung zu den Protestanten, welche die Heiligenverehrung ablehnten, und wurde auf dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) sogar im Rituale Romanum festgehalten:
„Der Pfarrer möge dafür sorgen, dass den Kindern keine anstößigen oder lächerlichen Namen gegeben werden oder gar solche, die den Sagen entnommen wurden oder solche von Götzen oder Heiden. Stattdessen sind, soweit irgend möglich, die Namen von Heiligen vorzuziehen.“
In katholischen Gegenden hielt sich dieser Brauch teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert, und mancherorts kommt dem Namenstag größere Bedeutung zu als dem Geburtstag.
Doch nicht immer wurde der Name der oder des Heiligen gewählt, an deren oder dessen Gedenktag die Taufe erfolgte. Insbesondere gewisse Schutzpatrone und Märtyrer wie Agnes, Maria, Michael oder Sebastian erfreuten sich unabhängig vom Datum großer Beliebtheit.
Daneben etablierten sich insbesondere in Adels- und Herrscherfamilien schon früh bestimmte Namenstraditionen. Karl der Große etwa war der Sohn Pippins III., Enkel des Karl (Martell), Urenkel Pippins des Mittleren, und nannte seinen Erstgeborenen wiederum Pippin, den zweiten Sohn Karl.
Andere mächtige Familien, die ihre Loyalität oder Verbundenheit mit den Königen und Kaisern des Heiligen Römischen Reiches zum Ausdruck bringen wollten, übernahmen zuweilen deren bevorzugte Namensgebung, so dass sich bei bestimmten Namen wie Karl, Otto oder Friedrich gewisse Modewellen erkennen lassen. Die Namen beliebter oder zumindest als besonders mächtig angesehener Fürsten fanden dann häufig auch in der einfacheren Bevölkerung größere Verbreitung, wohl um den eigenen Nachwuchs am „Heil“ des Herrschers symbolisch teilhaben zu lassen.
Wer kennt schon Hinz und Kunz?
Die Salier waren ein ostfränkisches Adelsgeschlecht aus der Region um Speyer und Worms, das von 1024 bis 1125 die römisch-deutschen Könige und Kaiser stellte, darunter Konrad II. und III. sowie die Heinriche III.-V.
Ab 1038 waren es dann die Staufer, die mit Konrad III., dessen Sohn und Mitkönig Heinrich sowie Heinrich VI. und Konrad IV. die Namenstradition fortführten. Zählt man noch diverse Herzöge, Grafen und andere Machthaber hinzu, lässt sich vom 11. bis zum 13. Jahrhundert eine geradezu inflationäre Verbreitung von adeligen Konrads und Heinrichen konstatieren!
Diese sorgte nach dem bekannten Muster für eine entsprechende Schwemme an Trägern der beiden Namen auch in der Bevölkerung. Ähnlich wie der Friedrich zum „Fritz“ wurden jedoch auch Heinrich und Konrad im täglichen Gebrauch gerne verkürzt – nämlich zu „H(e)inz“ und „Kunz“. Beide Namensformen sind bereits seit dem 13. Jahrhundert belegt, ab dem 15. Jahrhundert dann auch schon in der noch heute üblichen Verwendung, der leicht spöttischen Bezeichnung für „Alle und Jeder“ oder „Jedermann“.
„Hinz“ und „Kunz“ finden sich auch im Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1873, und Leser:innen dieses Blogs können nun auch mit Fug und Recht behaupten, dass sie „Hinz und Kunz“ kennen!
Anderswo sind die „Jedermänner“ übrigens zu dritt: „Tom, Dick, and Harry“ im Englischen, „Pierre, Paul ou Jacques“ im Französischen. Allerdings ist fraglich, ob es sich dabei auch heute noch um die beliebtesten und am weitesten verbreiteten Männernamen in Großbritannien und Frankreich handelt …
Sehr interessant! Danke und Grüsse aus der Schweit