Zeitgenössische Chroniken mittelalterlicher Ereignisse sind oftmals zäh und schwierig zu lesen. „Historische Romane“ wiederum nehmen es mit der Geschichte meistens nicht allzu genau.
Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich seit vielen Jahren der österreichische Autor, Jurist und Bogenschütze Johann Baier: Er will spannend und unterhaltsam erzählen, wie es (wahrscheinlich) gewesen ist. Waren seine drei bisherigen Publikationen („Krähen über Crécy„, „Der Schwarze Prinz und die Schlacht bei Poitiers„, „Die Schlacht bei Agincourt„, alle im Verlag Angelika Hörnig) den drei großen Schlachten des Hundertjährigen Krieges gewidmet, nimmt er sich in seinem neuesten Werk der sogenannten Schottischen Unabhängigkeitskriege an, in denen viele der später so erfolgreichen englischen Strategien und Taktiken entwickelt wurden.
Anders als das comichafte Titelbild vermuten lässt, handelt es sich nicht um einen Roman für Kinder, sondern um eine ernsthafte Nacherzählung der Ereignisse von ca. 1291-1357. Neue Erkenntnisse sind dabei nicht zu erwarten, aber Baier gelingt es, die teils sehr komplexen familiären, politischen und wirtschaftlichen Verwicklungen, die den Konflikten um die schottische Krone zugrunde lagen bzw. diese beeinflussten, weitestgehend verständlich darzustellen. Ein Personenverzeichnis und/oder der eine oder andere Stammbaum hätte die Orientierung allerdings noch erleichterr, doch diese sind glücklicherweise mit wenig Aufwand anderswo zu finden.
Im Gegensatz zu den drei früheren Büchern werden die kriegerischen Geschehnisse dieses Mal nicht aus der Sicht von (fiktiven ) Beteiligten erzählt, sondern aus einer neutralen Beobachterposition. Baier wählt dafür das Präsens, was den Schilderungen eine gewisse Unmittelbarkeit und Dringlichkeit verleiht.
Wer an militärischen Details der bedeutenden Schlachten wie Falkirk, Bannockburn, Dupplin Muir, Halidon Hill oder Neville‘s Cross interessiert ist, findet vermutlich in den einschlägigen militärhistorischen Arbeiten eher, was er sucht, aber Baiers lebhafte und anschauliche Schilderungen der Ereignisse sind ohne Frage unterhaltsam und spannend zu lesen. Jeder Schlachtbeschreibung folgt eine Analyse der Geschehnisse sowie der strategischen und taktischen Entscheidungen beider Seiten. Das hat zwar eine gewisse Redundanz zur Folge, doch gerade dadurch werden die wichtigsten Aspekte jedes Waffengangs umso einprägsamer hervorgehoben.
Charakteristisch für die Schlachten der Schottischen Unabhängigkeitskriege sind die Veränderungen in der englischen Taktik, welche später in Frankreich verfeinert werden und zu den großen Erfolgen von Crécy, Poitiers und Agincourt führen sollten. Erwiesen sich anfangs die statischen Positionen schottischer Spießträger, die sogenannten schiltrons, als nahezu unbesiegbar für die von gepanzerten Reitern dominierten englischen Heere, führte später die Kombination aus massivem Flankenbeschuss durch Bogenschützen und die Aufstellung abgesessener Ritter und gepanzerter men at arms an defensiven, meist erhöhten Positionen zu überwältigenden Erfolgen. Diese Entwicklung wird von Baier detailliert und zutreffend, allerdings keineswegs zum ersten Mal dargestellt.
Als Quellen dienen dem Autor verschiedene zeitgenössische Chroniken, allen voran die der (pro-englischen) Augustiner von Lanercost, die mitunter auch wörtlich zitiert werden. Glücklicherweise lässt Baier bei der Verwendung historischer Zeugnisse die erforderliche Vorsicht walten, doch wird nicht immer ganz klar, woher er seine alternativen Einschätzungen bezieht.
Auf Fuß- oder Endnoten wurde gänzlich verzichtet, was angesichts der Unterhaltungsabsicht des Buches allerdings nicht unbedingt problematisch erscheint. Das Literaturverzeichnis umfasst 43 Titel, darunter jedoch auch zahlreiche eher allgemeine und populäre Darstellungen, mitunter auch nicht unproblematische Werke wie „Waffen und Rüstungen“ von Liliane und Fred Funken. Auffällig ist dagegen nicht nur das Fehlen von noch immer relevanten Monographien wie „The Bowmen of England“ von Donald Featherstone, der die Umwälzungen der englischen Heerestaktiken durch die Erfahrungen der Schottischen Unabhängigkeitskriege bereits 1968 ausführlich dargestellt hat, sondern insbesondere von Einzelstudien zu den geschilderten Schlachten.
Wer sich für die schottisch-englische Geschichte, die Militärgeschichte des Mittelalters im Allgemeinen und die Entwicklung des Langbogens zu einer der wichtigsten englischen Kriegswaffen im Besonderen interessiert, zugleich beim Lesen gut unterhalten werden möchte und auf strenge Wissenschaftlichkeit gerne verzichtet, ist mit Johann Baiers neuestem Buch dennoch gut bedient. Als leicht zu lesende und spannend erzählte Einführung in die Thematik ist „Scots Wha Hae“ ohne Frage geeignet, für die intensive historische Beschäftigung mit den Schottischen Unabhängigkeitskriegen, ihrer Rezeption und militärischen Bedeutung sind (trockenere) geschichtswissenschaftliche Werke besser geeignet.
Ludwigshafen, Verlag Angelika Hörnig 2018. Geb., 272 S. ISBN 978-3-938921-57-9. € 22,80.
Irgendwie schreibe ich hier immer dann etwas, wenn’s ums Klugsch* geht. Sorry.
Aber der Name des belgischen Ehepaares lautet FunCKen. So viel Zeit muss sein :).
Und der Titel heißt, strenggenommen, „HISTORISCHE Waffen und Rüstungen“ (auch wenn die beiden Autoren nicht in allem auf dem neuesten Stand waren)