Berufe im Mittelalter

Zwischen 2007 und 2016 erschienen fast 50 Beiträge meiner Reihe „Berufe im Mittelalter“ in der Zeitschrift „Karfunkel“. Auf knappem Raum (ca. 8.000-9.000 Zeichen) bieten sie einen ersten informativen Einblick in verschiedene typische oder auch ungewöhnliche mittelalterliche Arbeitsfelder in Handwerk, Handel oder Dienstleistung.
Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt dabei naturgemäß auf dem Spätmittelalter – aus mehreren Gründen: Zum Einen ist die Quellenlage für die Zeit etwa ab dem 12./13. Jahrhundert deutlich besser. Zum Zweiten sind viele Gewerbe überhaupt erst in oder seit dieser Zeit entstanden. Und schließlich ist die Entstehung ausgeprägter „Berufe“ selbst ein Phänomen der seit dem Hochmittelalter neu (wieder) aufgekommenen städtischen Lebensform mit den zugehörigen Faktoren einer wachsenden Geldwirtschaft, mehr oder weniger stark ausgeprägter Gewerbefreiheit, zunehmender Arbeitsteilung und Spezialisierung, einer gewissen Unabhängigkeit von den Jahreszeiten etc.
Die professionelle und exklusive Ausübung eines Handwerks etwa ist nur möglich, wenn nicht der größte Teil der zur Verfügung stehenden Zeit der Nahrungsmittelversorgung gewidmet werden muss. Dies setzt wiederum voraus, dass Andere diese Versorgung mit (Grund-) Nahrungsmitteln – gegen Bezahlung – übernehmen. Für das Funktionieren eines differenzierten Wirtschaftssystems ist daher die Existenz lebensmittelherstellender oder -verarbeitender Berufe wie Müller, Bäcker, Metzger etc. von übergeordneter Bedeutung. An zweiter Stelle steht die Versorgung mit wichtigen Dingen des täglichen Bedarfs wie Kleidung und Schuhen, also die Arbeit von Webern, Schneidern, Tuchscherern, Färbern, Gerbern, Schuhmachern und Flickschustern etc.
Die wirtschaftliche Bedeutung dieser „Grundversorger“ spiegelte sich allerdings in der Regel nicht in ihrem gesellschaftlichen Ansehen wider. Das gilt in noch stärkerem Maße für  Dienstleister wie Bader, Straßenreiniger, Rattenfänger, Henker, Lumpensammler (für die Papierherstellung) und dergleichen. Noch geringer geschätzt wurden umherziehende Handwerker oder Dienstleister – Kesselflicker, Spielleute und Gaukler, ambulante Kramhändler etc.

„… hans pheuffer der lang czeit mit der schauffel in dem stat graben geerbet hot“: Hans Pfeifer, ein Tagelöhner. (Nürnberg, Stadtbibliothek, Amb. 317.2° fol. 77v.)

Zumindest in größeren Städten schlossen sich Angehörige eines Berufs oder verwandter Gewerbe seit dem 13. Jahrhundert zu berufsständischen Vereinigungen zusammen: Zünfte, Gilden, Gaffeln, Innungen, Einungen, Handwerke – die Bezeichnungen sind regional verschieden. Vor allem diese sorgten für ein wachsendes Konvolut an Aufzeichnungen, die heute, sofern erhalten, Einblicke in die berufsständische Organisation, aber auch in Wirtschaftsformen, Betriebsgrößen und -abläufe, Einkommensverhältnisse, Ausbilungsregelungen, Sozialfürsorge und viele weitere Aspekte spätmittelalterlichen Arbeitslebens gewähren.
Neben diesen wertvollen Quellen stehen vor allem bildliche Darstellungen, städtische oder gerichtliche Aufzeichnungen, vereinzelte weitere Schriftquellen sowie (vornehmlich beim produzierenden oder verarbeitenden Handwerk) mitunter Sachzeugnisse in Form von Halb- und Fertigprodukten, Ausschuss, Produktionsresten, Werkzeugen etc. zur Verfügung, um ein möglichst anschauliches und korrektes Bild der jeweiligen Berufe zeichnen zu können.
Die Beiträge der Reihe konzentrieren sich vorrangig auf die Beschreibung der Tätigkeiten und Arbeitsvorgänge, der verwendeten Werkzeuge und Hilfsmittel und die erzeugten bzw. angebotenen Waren oder Dienstleistungen. Wo immer möglich, wird auch auf berufsständische Regelungen, soziales Ansehen, Einkommensverhältnisse, typische Konflikte und weitere Aspekte eingegangen – dies alles in aller, dem beschränkten Umfang geschuldeten Kürze, welche bedauerlicherweise eine gewisse Oberflächlichkeit und zuweilen auch pauschalierende Darstellung geradezu erforderlich macht.
Dennoch vermitteln die Beiträge einen gründlich recherchierten, informativen und anschaulichen ersten Einblick in zahlreiche verschiedene mittelalterliche Gewerbe. Die jeweils angegebene weiterführende Literatur ermöglicht die intensivere Beschäftigung mit den einzelnen Berufen.

Ich hoffe, die Reihe in absehbarer Zukunft an dieser Stelle fortsetzen zu können. Einstweilen zunächst einmal ein alphabetischer Überblick der bisher behandelten Berufe mit Angabe des entsprechenden Hefts:

  • Apotheker, Karfunkel Kraut & Hexe 2, S. 7-9.
  • Bader/Barbier, Karfunkel Kraut & Hexe 2, S. 17-18
  • Bäcker, Karfunkel 79, S. 46-47
  • Bauer, Karfunkel 74, S. 48-49
  • Beinschnitzer, Karfunkel 108, S. 94-96

    Bettler, Skizze von Hieronymus Bosch.

    Bettler, Skizze von Hieronymus Bosch.

  • Bettler, Karfunkel 87, S. 108-109
  • Bierbrauer, Karfunkel 75, S. 156-157
  • Böttcher/Büttner/Küfer, Karfunkel 94, S. 26-27
  • Drahtzieher, Karfunkel 114, S. 44-46
  • Drechsler, Karfunkel 117, S. 38-40
  • Färber, Karfunkel 81, S. 60-61
  • Fechter, Karfunkel Combat 13, S. 52-55
  • Feilenhauer, Karfunkel 95, S. 38-39
  • Fischer, Karfunkel Küche im Mittelalter 2, S. 20-22
  • Gärtner, Karfunkel 96, S. 108-109
  • Gastwirt/Schankwirt, Karfunkel 100, S. 34-36
  • Gerber, Karfunkel 77, S. 110-111
  • Glasmacher/Glaser, Karfunkel 116, S. 100-102
  • Glockengießer, Karfunkel 91, S. 16-17
  • Gold- und Silberschmied, Karfunkel 109, S. 46-48
  • Grobschmied/Hufschmied, Karfunkel 105, S. 58-60
  • Gürtler/Gelbgießer, Karfunkel 124, S. 16-18
  • Hebamme, Karfunkel 107, S. 55-57
  • Henker/Scharfrichter/Schinder, Karfunkel 85, S. 114-115
  • Hutmacher, Karfunkel 113, S. 26-28
  • Jäger, Förster und Falkner, Karfunkel 112, S. 40-43
  • Kaufmann, Karfunkel 110, S. 59-61
  • Kerzenzieher, Karfunkel 89, S. 62-63
  • Koch, Karfunkel 101, S. 28-30
  • Lehrer, Karfunkel 92, S. 22-23
  • Metzger/Fleischer/Knochenhauer, Karfunkel 99, S. 56-57
  • Müller, Karfunkel 76, S. 98-99
  • Notar/Advokat, Karfunkel 83, S. 114-115.
  • Pergamenter, Karfunkel 78, S. 96-97
  • Pfeilschnitzer, 122, S. 82-84
  • Prostituierte, Karfunkel 93, S. 26-27
  • Sarwürker, Karfunkel 126, S.46-48
  • Sattler und Riemer, Karfunkel 97, S. 18-19

    Schneider in einer Handschrift des Tacuinum Sanitatis, um 1390-1400 (Paris, BNF NAL 1673).

    Schneider in einer Handschrift des Tacuinum Sanitatis, um 1390-1400 (Paris, BNF NAL 1673).

  • Schneider, Karfunkel 104, S. 24-26
  • Seifensieder, Karfunkel 121, S. 82-84
  • Seiler/Reepschläger, Karfunkel 86, S. 110-111
  • Steinmetz/Steinhauer, Karfunkel 88, S. 30-31
  • Tagelöhner, Karfunkel 106, S. 38-40
  • Töpfer, Karfunkel 90, S. 16-17
  • Türmer und Nachtwächter, Karfunkel 118, S. 46-48
  • Wagner/Stellmacher, Karfunkel 98, S. 26-27
  • Weber, Karfunkel 84, S. 38-39
  • Zimmermann, Karfunkel 103, S. 120-122

Außerdem:

  • „Bäcker, Metzger, Kellermeister. Lebensmittel herstellende Berufe im Mittelalter“, Karfunkel Küche im Mittelalter 1, S. 38-41
  • „Das kleine Karfunkel-Lexikon: Handwerk im Mittelalter“, Karfunkel Nr. 76, S. 120-125
  • „Gerber, Sattler, Riemer – Das Lederhandwerk“, Karfunkel Codex 9: Altes Handwerk, S. 76
  • „Das Holzhandwerk“, Karfunkel Codex 9: Altes Handwerk, S. 80-83
  • „Das Lebensmittelhandwerk“, Karfunkel Codex 9: Altes Handwerk, S. 84-87
  • „Gießer, Schmiede, Feilenhauer – Das Metallhandwerk“, Karfunkel Codex 9: Altes Handwerk, S. 88-90
  • „Bogner, Plattner, Klingenschmiede – Das Rüstungshandwerk“, Karfunkel Codex 9: Altes Handwerk, S. 91-93
  • „Flößer, Köhler, Seifensieder – Ausgestorbene Handwerke“, Karfunkel Codex 9: Altes Handwerk, S. 107-109
  • „Schneider, Kürschner, Bortenmacher. Berufe und Handwerk rund um die Gewandung“, Karfunkel ABC der Gewandung, S. 66-73.

Alle genannten Ausgaben können unter Angabe der Lieferadresse per E-Mail an shop@histofakt.de versandkostenfrei bestellt werden.

 

2 Gedanken zu „Berufe im Mittelalter

  1. Interessant, welche Berufe es schon seit dem Mittelalter gibt. Ich hätte beispielsweise nicht gedacht, dass es damals schon Notare gab. Damals war es aber bestimmt recht selten, einen Notar zu beauftragen.

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