Fundstücke KW 48

„Schrottmünzen“ beim Supermarkt: Die Discount-Kette NORMA warb diese Woche mit einem Super-Sonderangebot, einer „Sammler-Wunderkiste Münzen“. Darin enthalten u. a. „aus Schatzfund: 1 originale altrömische Münze!!!“ Die Aktion war zwar nicht illegal, wie manche Kommentatoren im Netz meinten, aber zumindest mal unsensibel, unseriös und unglaublich dämlich!
Einen profunden und etwas elaborierter formulierten Kommentar dazu liefert der Archäologe Rainer Schreg in seinem Blog archaeologik.blogspot.de.

Archäologie II: „Nordrhein-Westfalen spart an Archäologie und Baudenkmalpflege und vergeudet dennoch öffentliche Gelder“ – so äußerte sich diese Woche die DGUF, und weiter: „Nordrhein-Westfalen hat 2013 seinen langjährigen Sparkurs in der Archäologie und in der Baudenkmalpflege deutlich verschärft, trotz eines starken öffentlichen Bürgerprotests. Heute setzt das Land für den Erhalt seines kulturellen Erbes weniger Mittel ein als die meisten anderen Bundesländer und nur ein Drittel dessen, was in Europa üblich ist. Dennoch verzichtet das Land NRW infolge ungeschickter Gesetzesregelungen zu Gunsten von Investoren auf jährliche Einnahmen für die Archäologie in Millionenhöhe. Diese Kosten muss stattdessen die Allgemeinheit übernehmen. Das vergeudete Geld ist in Summe ein Mehrfaches dessen, was das Land selbst für die Archäologie einsetzt.“
Die vollständige, erschütternde Anaylse von Diane Scherzler und Frank Siegmund gibt es auf den Seiten der DGUF zum Download, Zusammenfassung und Kommentar der Autoren unter dem o.g.Titel auf archaeologie-online.de.

Im 3. Teil seiner Betrachtung des Utrechter Psalters geht Hiltibold auf die Darstellung von Schilden ein. Diese sind rund und überwiegend nicht flach wie etwa zeitgenössische Wikingerschilde, sondern konvex gebogen. Deren Existenz konnte zwar bislang archäologisch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, doch sie finden sich auch in anderen zeitgenössischen Darstellungen (z.B. dem Stuttgarter Psalter), sie machen sich gut als „missing link“ zwischen den flachen Rundschilden und den gebogenen „Drachenschilden“ des 11. Jahrhunderts, und schließlich bieten sie gegenüber diesen im Kampf einige Vorteile, insbesondere zu Pferd.

Gewölbte Rundschilde im Utrechter Psalter.

Gewölbte Rundschilde im Utrechter Psalter.

Am Dienstag ist die Finanzierungsphase des Crowdfunding-Projekts zur Veröffentlichung des Tagungsbandes „Das Schwert – Symbol ud Mythos“ zu Ende gegangen. Fehlten 24 h zuvor noch rund € 300,-, so sorgte ein wahrer Geldregen am letzten Tag dafür, dass das Finanzierungsziel von € 4.100,- um mehr als € 1.600,- übertroffen wurde. Wie ich finde, eine tolle Sache, ein Beleg für das große Interesse am Thema und ein schöner Erfolg nicht nur für die Macher, sondern für unabhängige, junge Geschichtsforschung in Deutschland allgemein!

 

Fundstücke KW 47

Die Max-Planck-Gesellschaft hat ein Institut für Geschichte und Naturwissenschaften gegründet. Dort soll die Anwendbarkeit biologischer Modelle auf geschichtswissenschaftliche Fragestellungen erforscht bzw. erprobt werden. Unter dem Titel „Die DNA der Geschichte“ hat der Heidelberger Mediävist Jörg Feuchter am 5. November in der F.A.Z. seine Gedanken zu diesem Ansatz und zur „genetischen Herausforderung“ der Geschichtswissenschaft veröffentlicht.
Darauf antwortet nun sein Kollege Prof. Jan Keupp aus Münster auf mittelalter.hypotheses.org: „Kein Wunder nirgendwo – die genetische Herausforderung der Geschichte„.

Wo würde man wohl eine Koranhandschrift aus der Frühzeit des Islam vermuten? Wahrscheinlich nicht unbedingt in der Universitätsbibliothek Tübingen – doch genau dort hat sich nun tatsächlich ein Exemplar als älter herausgestellt als bislang angenommen und wird nun auf das 7. Jahrhundert, etwa 20-40 Jahre nach dem Tod des Propheten datiert.

Noch eine Handschrift, diesmal aus dem 16. Jahrhundert, Brügge: Der sogenannte Cambrai Chansonnier, eine Notenhandschrift mit einmaligen, spannenden, rätselhaften und sehr unterhaltsamen Miniaturen, vorgestellt von classicfm.com.

Haben Archäologen in Wittenberg die Alchemistenküche des Doktor Faustus entdeckt? Bildergalerie und Video von National Geographic.

A propos Video: Der sogenannnte „History Channel“ ist schon seit langem eher für Autos, Ufos und Aliens bekannt als für Geschichtsdokumentationen. Nicht zuletzt die angeblich so aufwändig recherchierte und authentisch ausgestattete Serie „Vikings“ sorgt immer wieder für Spott und Empörung unter Historikern, living history-Darstellern, Wikinger-Fans und anderen Geschichtsinteressierten.
Nachdem sich Matt Easton von der britischen Fechtschule Schola Gladiatoria zuletzt über die in der Serie verwendeten Rüstungen ausgelassen hatte (Video 1, Video 2, Video 3), scheinen die Macher nun mit Ankündigung der 3. Staffel endgültig jeden Versuch aufgegeben zu haben, der Ausstattung auch nur den Schatten eines Hauchs des Anscheins von historischer Authentizität zu verleihen: Man beachte allein die Profilsohlen der Stiefel im Bildvordergrund …

Wikinger mit Gummisohlen: Werbeposter zur 3. Staffel der Fernsehserie "Vikings". (c) History Channel.

Wikinger mit Gummisohlen: Werbeposter zur 3. Staffel der Fernsehserie "Vikings". (c) History Channel.

Ist das nun Dreistigkeit („Das merkt eh keiner!“) oder Resignation („Die merken eh alles!“)?

 

Fundstücke KW 46

Na, das ist doch mal Geschichtsforschung und (experimentelle) Archäologie, von der Wissenschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen profitieren: In Finnland wurde anhand von in einem Schiffswrack gefundener Flaschen ein 170 Jahre altes Bierrezept rekonstruiert und nachgebraut, wie derstandard.at meldet:

„Ein Teil des Erlöses durch den Verkauf soll für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, ein anderer zur weiteren Erforschung des nach wie vor unter Wasser liegenden Schiffswracks […]“

Die Erzeugung, Nutzung und vor allem Einsparung von Energie ist nicht erst seit gestern ein wichtiges Thema. Schon unsere eiszeitlichen Vorfahren sahen sich mit einem Mangel an entspechenden Rohstoffen konfrontiert: Holz war knapp und musste optimal genutzt werden, Lagerfeuer kamen daher nicht in Frage. Stattdessen wurden Steinöfen genutzt, und die Jäger zogen gar nicht dem Wild hinterher, sondern den Bäumen. (Das taten die Tiere allerdings wohl auch, so dass es am Ende doch auf dasselbe hinausläuft …)
Auf Spiegel Online stellt Angelika Franz die Ergebnisse der Dissertation des Mainzer Archäologen Frank Moseler vor.

Das Alamannen-Museum in Ellwangen lädt „engagierte Geschichtsdarsteller“ im Februar 2015 zu einer „Fortbildungsveranstaltung“ ein. Das Ganze nennt sich „Ellwanger Tage lebendige Geschichte„. Zitat:

„Das Alamannenmuseum möchte nun engagierten Geschichtsdarstellern die Möglichkeit bieten, ihre Darstellung gezielt auszubauen und ihr Vermittlungskonzept professioneller zu gestalten. Darum ist bei entsprechendem Interesse eine spezielle Fortbildung für Darsteller lebendiger Geschichte am Wochenende 21./22. Februar 2015 geplant. Die bisher einzigartige Idee sieht vor, Fachvorträge und Workshops zu einem Themenschwerpunkt anzubieten. Das Tagungswochenende bietet nicht nur die Möglichkeit, neue Ideen und Informationen zu sammeln, sondern auch dem Gedankenaustausch wird Raum gegeben.“

Im zweiten Teil seiner Betrachtung des Utrechter Psalters widmet sich Hiltibold verschiedenen Elementen, die antiken Traditionen entstammen oder zumindest auf diese verweisen sollen: Der Utrechter Psalter als Bildquelle frühmittelalterlicher Alltagskultur – Teil 2: Antike Versatzstücke

 

Fundstücke KW 45

Das Blog von Hiltibold aus Graz ist immer wieder eine ergiebige Quelle interessanter und spannender Beiträge und Überlegungen. Vergangene Woche hat er sich einmal mit den Darstellungen von Bogenschützen im Utrecht-Psalter beschäftigt.

Bei Hiltibold habe ich außerdem den Link zu dem folgenden Video entdeckt: Matt Easton von der Schola Gladiatoria aus London veröffentlicht auf YouTube regelmäßig sehr sehenswerte und anregende Videos zu historischen europäischen Kampfkünsten (HEMA), historischen Waffen oder auch zu deren Repräsentation in Film und Fernsehen.
Nun hat er sich auf gewohnt unterhaltsame Art mit dem leidigen Thema „Rüstungen in (pseudo-)historischen Fernsehserien wie z.B. VIKINGS“ auseinandergesetzt: Knitted chainmail and weird plate armour in movies and TV (auf Englisch).

Und wenn wir schon beim Thema sind: Unter traditionellen Bogenschützen sorgen gerade Bilder zum kommenden Multi-Millionen-Dollar-Spektakel „Exodus: Gods and Kings“ wie dieses für – je nach Temperament – Belustigung oder Verärgerung:

Christian Bale als Moses in "Exodus – Gods and Kings". (c) 20th Century Fox

Christian Bale als Moses in "Exodus – Gods and Kings". (c) 20th Century Fox

Der Grund? Der Bogen ist falsch herum aufgespannt! Das ist umso peinlicher, als er in anderen Szenen offenbar korrekt aufgespannt zu sehen ist. Allerdings ist das bei Weitem nicht das einzige historische Detail, das sich an der Produktion kritisieren ließe. Die Form des Bogens ist für die fragliche Zeit und Weltregion ebenso wenig belegt wie die des Schwert, von den Rüstungen für Menschen und Pferde, Bekleidungsdetails etc. ganz zu schweigen.
Aber anstatt zu sagen, wir haben hier einen Actionfilm produziert, der sich lose an gewisse Ereignisse aus der Bibel anlehnt, musste es ja mal wieder die „historisch korrekte“ Darstellung der Geschichte von Moses und dem Auszug aus Ägypten sein … An seinen eigenen Ansprüchen muss man sich eben messen lassen!

Auf das Crowdfunding-Projekt zur Veröffentlichung des multidisziplinären wissenschaftlichen Tagungsbands „Das Schwert – Waffe und Mythos“ hatte ich schon einmal hingewiesen. Die Finanzierungsplhase läuft noch bis zum 25. November, und noch immer fehlen mehr als € 1.000,-, um das Werk drucken zu können. Wer also noch ein gutes Werk vollbringen, junge Forscher ermutigen und unabhängige Forschung jenseits des Mainstreams unterstützen möchte, hat hier beste Gelegenheit dazu!

 

Fundstücke KW 44

Im Mai 2006 habe ich mich als Historiker selbständig gemacht – zugegebenermaßen nicht ganz freiwillig. Schon damals waren die Berufs- und Karriereaussichten an deutschen Universitäten nicht sehr verlockend, und die Situation hat sich seither nicht gebessert. Eher im Gegenteil: War damals die Aussicht auf eine unüberschaubare und potentiell unendliche Abfolge befristeter Verträge die Regel, so sorgt deren zeitliche Befristung nun dafür, dass junge Forscher nach sechs Jahren praktisch vor dem Nichts stehen können, denn Professorenstellen sind rar und im Mittelbau wird fleißig gekürzt, anstatt neue Stellen zu schaffen.
Was die Biologin Antje Fischer in der Zeit erzählt, gilt daher leider so ähnlich auch in den Geschichts- und anderen Wissenschaften: Wo sind die festen Stellen?

In Hamburg wurde diese Woche die große Ausstellung „Mythos Hammaborg“ über die karolingischen Anfänge der späteren Hansestadt eröffnet. Darüber berichtet u.a. T-Online. Die offizielle Seite des Archäologischen Museums Hamburg (AMH): http://mythos-hammaburg.de/

Der Streit um den Goldschatz von Bernstorf geht weiter, wie die SZ berichtet: Ärger unter Archäologen.

A propos Ärger: Bei Erwähnung des „Campus Galli“ erleiden zahlreiche Historiker, living history-Darsteller, Blogger und Steuerzahler inzwischen gefährlichen akuten Bluthochdruck. Nachdem die erwarteten Besucherzahlen von Jahr zu Jahr nach unten korrigiert wurden, gibt man sich nach der zweiten Saison nun mit 30.000 (statt erhofften 300.000 …) zufrieden und auch damit, dass das Projekt wohl nicht wie ursprünglich behauptet nach spätestens vier Jahren finanziell autark sein wird, sondern noch auf Jahre hinaus öffentliche Gelder in MIllionenhöhe verschlingen wird.
Warum das alles völlig OK ist, man das im Vorfeld alles gar nicht wissen konnte und die anfangs angegebenen Zahlen ohnehin frei erfunden waren, das erklärt auf SWR4 ein gewisser Roland Heck, der offenkundig so berühmt und sachkundig zu sein scheint, dass man ihn wohl nicht weiter vorstellen muss …: „Arbeiten bei Campus Galli„.