Fundstücke KW 43

Der Fund einer „Ulfberht„-Klinge in der Weser bei Großenwieden rückte diese legendären Schwerter des Frühmittelalters Mitte des Jahres (mal wieder) ins Licht der Öffentlichkeit. Die Südeutsche Zeitung berichtete am 30. Juli über die „Wunderwaffen aus dem Kloster„.
Nun gibt es eine rege Diskussion über die Herkunft bzw. Herstellung des Stahls, worüber wiederum die SZ Online berichtet: „Ein Schwert für Europa„.

Spatha, sog. Ulfberht-Schwert, aus dem Rhein bei Mannheim, 1. Hälfte 9. Jh., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (FG 2187). Quelle: de.wikipedia.org, User: Martin Kraft.

Spatha, sog. Ulfberht-Schwert, aus dem Rhein bei Mannheim, 1. Hälfte 9. Jh., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (FG 2187). Quelle: de.wikipedia.org, User: Martin Kraft.

Die im Artikel aufgeworfene Frage „Schmiedeten Klöster die legendären Waffen?“ lässt sich allerdings ganz einfach beantworten: NEIN! Es waren mit großer Sicherheit Menschen, Schmiede wahrscheinlich, vielleicht Mönche oder Klosterhandwerker, aber ganz sicher keine Klöster!

(A propos Schwerter: Hier kann man noch bis zum 25. November spenden, um die Publikation des Tagungsbandes „Das Schwert – Mythos und Waffe“ zu unterstützen.)

Noch einmal die Süddeutsche Zeitung Online, noch ein Expertenstreit: „Zu sehr Gold, um wahr zu sein“ hieß es dort am 24. Oktober um 10:51 Uhr über den (angeblich) bronzezeitlichen Schatz von Bernstorf. Der soll nämlich eine moderne Fälschung sein, behauptet der Heidelberger Chemieprofessor Ernst Pernicka.
Um 18:49 Uhr dann die Position der Gegenseite und die Erkenntnis: „Am Gold scheiden sich die Geister„.

Überhaupt nicht begeistert war die Kino-Redaktion des Spiegel Online diese Woche von dem pseudo-historischen Action-Machwerk „Northmen – A Viking Saga“ und wünschte allen Beteiligten gleich mal ein Ticket nach Walhalla – ohne Rückfahrt.
Nun ja, zum Thema „Geschichte in Film und Fernsehen“ habe ich mich ja bereits gelegentlich geäußert und werde das auch sicherlich wieder tun (u.a. hatte ich ja schon meinen Unmut über das „Northmen“-Filmplakat kund getan), aber wenn schon Fantasy, dann doch bitte wenigstens spannend und unterhaltsam …

Vom Bayerischen Rundfunk stammt ein Podcast über Attila und die Hunnen (mp3-Download). Und einer über Theoderich den Großen und die Goten (mp3-Download).

 

Fundstücke KW 37-42

Der Sommer ist zu Ende, es gibt endlich wieder spannende Nachrichten aus Geschichtsforschung und Archäologie zu vermelden!

Netzwerkanalyse als Mittel geschichtswissenschaftlicher Erkenntnis: Das ist das Konzept des Projekts „Mapping Medieval Conflicts“ (MEDCON), das von der Österreichen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geördert wird. Aber, lieber derstandard.at: Netzwerkanalyse hat nichts, aber auch gar nix mit Facebook zu tun! „Facebook des Mittelalters“ – oh Mann …

Im Oktober 2012 veranstalteten drei NachwuchswissenschaftlerInnen an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg die interdisziplinäre Nachwuchstagung „Das Schwert – Symbol und Waffe“. Die Ergebnisse der Tagung sollen jetzt der Öffentlichkeit in einem Sammelband zugänglich machen. Zur Finanzierung der Druckkosten haben die drei Initiatoren eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen: https://www.sciencestarter.de/das-schwert

Das Schwert - Symbol und Waffe

Das Schwert - Symbol und Waffe

Bei dem Anfang des Jahres vor Haiti entdeckten Schiffswrack handelt es sich doch nicht um die Santa Maria, das Flaggschiff Christopher Kolumbus‘, wie derstandard.at berichtet: http://derstandard.at/2000006474738/Unesco-Experten-Schiffswrack-vor-Haiti-ist-nicht-die-Santa-Maria

In Schottland ist ein Wikingerschatz gefunden worden, der offenbar in halb Europa zusammen geraubt wurde. Es handelt sich um den größten Hortfund seit 150 Jahren, wie Spiegel Online berichtet: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/wikinger-in-schottland-wertvoller-schatz-entdeckt-a-997023.html

Cod.Guelf. 78.2 Aug.2° ist eine wohl zwischen 1465 und 1480 entstandene Sammelhandschrift, die u.a. Abschriften der „ZedelMeister Lichtenauers, des Gladiatoria-Fechtbuchs, des „Bellifortis“ Konrad Kyesers sowie weiterer Handschriften zum mittelalterlichen Kriegswesen enthält. Die stark beschädigte und vom Zerfall bedrohte Handschrift wurde nun digitalisiert und ist online frei zugänglich: http://diglib.hab.de/mss/78-2-aug-2f/start.htm

Die Zeit widmet sich in einem Artikel den Beginen und der Haltung der Kirche gegenüber diesen Frauen, die ein Ordensleben außerhalb der Orden zu verwirklichen suchten: http://www.zeit.de/zeit-geschichte/2014/03/beginen-kirche-christliches-leben

 

Alte Berufe und Familiennamen II

Das Mittelalter kannte eine Vielzahl von Gewerben, die heute weitgehend oder ganz verschwunden sind. Mitunter leben solche Berufsbezeichnungen in Familiennahmen weiter, die aber nicht immer ohne weiteres zu entschlüsseln sind.
Einige Beispiele wurden an dieser Stelle bereits vorgestellt, hier nun eine weitere Auswahl.

Meier (Meyer, Maier, Mayer, Mayr – von lat. maior) war die Bezeichnung für einen Verwalter von Gütern einer Grundherrschaft. Insbesondere in Westfalen und Teilen Niedersachsens sind heute noch Namen verbreitet, die auf die Hofstelle verweisen, die ein Vorfahr einst innegehabt hatte, wie z.B. Meyer zu Heepen, Meyer zum Gottesberge etc.

Pfister (auch Pfisterer) hießen im süddeutschen Raum die Bäcker (von lat. pistor), insbesondere jene, die vornehmlich das feine, weiße Brot und die Semmeln für die Oberschicht buken – anderswo als Schön(e)beck bekannt, im Gegensatz zum Schwarzbeck, der das dunkle, grobe Roggenmehl verarbeitete. Weiterlesen

Die Gabel – ein Werkzeug des Teufels?

Im Mittelalter, so heißt es, hätten die Menschen  – selbst die reichen und vornehmen – mit der Hand gegessen, weil die Kirche den Gebrauch der Gabel verboten habe. Als Werkzeug des Teufels sei sie angesehen worden und habe sich daher erst später, in einem aufgeklärteren, rationaleren, kultivierteren Zeitalter, als Teil des Essbestecks durchsetzen können.
Nahezu immer, wenn in populären Medien die Essgewohnheiten des Mittelalters thematisiert werden, dient dieses Beispiel dazu, gleichermaßen die vermeintlich rohen Tischsitten wie die naive Frömmigkeit und Kirchenhörigkeit zu illustrieren. Doch die These findet sich auch in zahlreichen Fachpublikationen zum Thema und hat es sogar ins renommierte Lexikon des Mittelalters geschafft. Die Geschichte vom Teufel, seiner Gabel und der Kirche ist zum Selbstläufer geworden, zum geschichtswissenschaftlichen Topos, der nicht länger hinterfragt, sondern nur mehr kolportiert wird.
Eines nämlich haben all diese Reiterationen, vom LexMA über bekannte Online-Lexika bis zur Kochsendung im Fernsehen, gemeinsam: Es fehlt ihnen an zeitgenössischen Quellen, um die so beliebte These zu belegen.

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