Linkliste zum Schriftwesen im Mittelalter

Die folgende Liste von Links zum mittelalterlichen Schriftwesen war bis vor ca. zwei Jahren als „Bonusmaterial“ zum Buch „Die Schreibwerkstatt. Schrift und Schreiben im Mittelalter“ von Jan H. Sachers und Katja Rother (G&S-Verlag, Zirndorf 2009) über die Website von HistoFakt aufrufbar.

Aufgrund einer Anfrage habe ich beschlossen, sie hier wieder zugänglich zu machen. Einige tote Links wurden entfernt, aber keine weiteren Ergänzungen vorgenommen. Inzwischen dürfte es etliche weitere interessante Seiten zum Thema geben, und ich freue mich über entsprechende Hinweise in den Kommentaren.

Evangeliar Ottos III. Einband.

Evangeliar Ottos III. Einband.

Im Magazin „Karfunkel. Zeitschrift für erlebbare Geschichte“ erscheint außerdem seit Ausgabe 104 (Februar 2013) meine Reihe „Buchkunst des Mittelalters“ über herausragende illuminierte Handschriften. Bislang erschienen: Evangeliar Ottos III, Kreuzfahrerbibel, Wiener Dioskurides. Kommende Themen: Falkenbuch Kaiser Friedrichs II., Codex aureus Epternacensis, Luttrell-Psalter, Les très riches heures du Duc de Berry, Oxford-Apocalypse, Golf Hours, Breviarium Grimani, …

Wie üblich distanziert sich der Betreiber dieses Blogs ausdrücklich von den Inhalten aller Seiten, die über einen Verweis („Link“) von diesen Seiten aus erreicht werden können. Für die Inhalte dieser Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.

Link-Sammlungen

Datenbanken und Nachschlagewerke online

Handschriftenkataloge online

Digitalisierte Handschriften online

Bibliotheken und Forschungseinrichtungen online

Interessante Museen zum Thema

Historische Zeichensätze für den Computer

Weitere interessante Seiten

Das Mittelalter im deutschen Fernsehen

Auf einem öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehsender läuft ein „Doku-Drama“ über die Wirtschaftswunderjahre. In einer Szene sehen wir Konrad Adenauer, wie er mit seinem Smartphone den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy anruft. Der Bundeskanzler wird standesgemäß in einem Citroën Traction Avant 11CV kutschiert, sein Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hingegen bevorzugt einen Porsche 911. Überhaupt mag es der CDU-Politiker sportlich: er nimmt gerne in Jeans und Turnschuhen an den Sitzungen des Bundestags teil und spielt in seiner Freizeit Ballerspiele am Computer … Weiterlesen

Die tägliche Dosis Mittelalter – Allgegenwärtige Spuren einer längst vergangenen Zeit

[Unveröffentlichter Artikel von 2010]

Da sitzt man in der Bankfiliale seinem persönlichen Finanzberater gegenüber, der sich zunächst die Brille zurecht rückt und dann ein dickes Buch aufschlägt: wer würde in einer solchen Situation ausgerechnet an‘s Mittelalter denken? Und doch ist uns diese faszinierende und fremdartige Vergangenheit fast niemals fern.
Bank und Brille sind ebenso Erfindungen des Mittelalters wie die typische Form von Büchern, wie wir sie heute noch kennen. Und wenn besagte Bankfiliale dann auch noch in der Schmiedgasse, der Klosterstraße oder im Färbergraben liegt und unser Finanzexperte auf den Namen Bogner, Meier, Ackermann oder Müller hört – spätestens dann ist klar, das Mittelalter ist nahezu allgegenwärtig.

Das gilt z. B. auch für unsere Schrift, die eigentlich aus zwei ganz unterschiedlichen Alphabeten besteht. Ihre Großbuchstaben oder Majuskeln (von lat. maior = größer) gehen zurück auf die Schriftzeichen der römischen Capitalis oder Kapitalschrift, die auch das gesamte Mittelalter hindurch vor allem für Inschriften verwendet wurde. Die Kleinbuchstaben oder Minuskeln (von lat. minus = kleiner) hingegen entstanden zur Zeit Karls des Großen (747/748-814) in den Klöstern seines neu gegründeten Reiches.
In dieser Schrift, die daher auch als Karolingische Minuskel bezeichnet wird, wurden Jahrhunderte lang Texte der griechischen, römischen und christlichen Antike abgeschrieben. Als italienische Gelehrte der Renaissance begannen, sich für Geschichte und Kultur der vorchristlichen Zeit zu interessieren, fielen ihnen diese Dokumente in Kloster- und Privatbibliotheken dutzend- bis hundertfach in die Hände. Die eifrigen Forscher hielten sie fälschlicherweise für die antiken Originalschriften und die Buchstaben, mit denen sie geschrieben waren, daher für die authentischen Schriftzeichen des römischen Reiches.

Beispiel für die Karolingische Minuskel

Beispiel für die Karolingische Minuskel

Künstler und Schriftschneider, die das sich ausbreitende Druckereigewerbe mit Formen für Drucktypen versorgten, schufen nun ein neues, doppeltes Alphabet, bestehend aus den Großbuchstaben der römischen Kapitalschrift und den leicht abgewandelten Grundformen der Karolingischen Minuskel – in dem Glauben, den tatsächlichen Schriftgebrauch ihrer antiken Vorfahren wieder zu beleben. Konsequenterweise nannten sie ihre Neuschöpfung Antiqua, und diese Bezeichnung tragen noch heute die meisten der Zeichensätze, derer wir uns täglich am Computer bedienen. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die „Times“, die 1931 für die gleichnamige Tageszeitung in London entwickelt wurde und in der Bezeichnung „Times New Roman“ ganz eindeutig auf dieses historische Missverständnis verweist.
Die Wurzeln der Zeitung reichen übrigens ebenfalls bis ins Mittelalter zurück. Der Begriff leitet sich von zidunge ab, womit seit dem 14. Jahrhundert ganz allgemein Neuigkeiten oder Nachrichten bezeichnet wurden. Diese wurden schon vor Gutenbergs Erfindung der Druckpresse mit beweglichen Lettern verbreitet, indem im Tiefdruckverfahren Abzüge eigens geschaffener Holzschnitte vervielfältigt wurden. Ihren Siegeszug als Informationsmedium Nr. 1 trat die Zeitung, nun mit beweglichen Lettern schnell und in hoher Auflage gedruckt, jedoch erst in den religiösen und politischen Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jahrhunderts an.

Beispiel einer Renaissance-Antiqua von Aldus Manutius.

Beispiel einer Renaissance-Antiqua von Aldus Manutius.

Mit seiner Erfindung revolutionierte Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg (1400-1468) die Produktion von Büchern, jedoch nicht deren Form. Diese entwickelte sich – wie könnte es anders sein – im Mittelalter. Zuvor war die Schriftrolle die gängige Form gewesen, in der längere Texte niedergeschrieben und aufbewahrt wurden, denn der am weitesten verbreitete Beschreibstoff der Antike war Papyrus, der nur von einer Seite beschrieben werden konnte und sich nicht ohne Beschädigungen knicken ließ. Doch der Papyrus wuchs in Ägypten, musste also teuer nach Europa importiert werden, wo er zudem das kalte und feuchte Klima schlecht vertrug.
Alternativen mussten her, zumal das sich ausbreitende Christentum einen enorm anwachsenden Bedarf an Schriftgut mit sich brachte. Pergament, die ungegerbte Haut von Ziegen, Schafen oder Kälbern, war zwar ebenfalls seit dem Altertum bekannt, seine Herstellung jedoch aufwändiger und teurer als die des Papyrus‘. Dafür ließ es sich von beiden Seiten beschreiben, war unempfindlicher gegenüber der Feuchtigkeit und konnte gefaltet werden.
Zusammen mit dem „neuen“ Beschreibstoff verbreitete sich daher eine neue Buchform: der Codex. Seine Bezeichnung leitet sich ab vom lateinischen Wort caudex für Baumstamm oder Holzklotz, denn nachdem die Pergamentbogen gefalzt und am Rücken vernäht waren, wurden sie in hölzerne Buchdeckel eingefasst, die meistens mit Leder bezogen waren und reich verziert sein konnten. Einige trugen Schließen oder Schnallen und verfügten über kleine Messing- oder Bronzebuckel, so genannte Schonerknöpfe auf ihrer Vorderseite. Denn bis ins 17. Jahrhundert wurden Bücher überwiegend liegend gelagert.
Die neue Form der Bücher bot etliche Vorteile gegenüber der Papyrusrolle. Da die Seiten beidseitig genutzt werden konnten, ließ sich doppelt so viel Text auf der gleichen Fläche unterbringen; das sparte Platz und Material. Außerdem waren sie durch die Buchdeckel besser geschützt, und ein bestimmter Text ließ sich in einer umfangreichen Bibliothek leichter finden, indem man einfach den Titel oder ein bestimmtes Kürzel auf dem Buchrücken anbrachte. Und schließlich waren einzelne Textstellen einfacher ausfindig zu machen als auf einer Rolle: man konnte die Bogen oder Seiten nummerieren oder einen Index anlegen, was besonders bei den täglichen Bibellesungen von größtem Nutzen war.

Schreibstube eines spätmittelalterlichen Schreibers (Jean Miélot).

Schreibstube eines spätmittelalterlichen Schreibers (Jean Miélot).

Die Form der mittelalterlichen Codices erscheint uns heute vertraut, denn es hat sich nicht viel daran verändert. Allerdings bekommen wir nur noch selten in Leder gebundene Bände in die Finger, und das Pergament ist ganz aus der Buchproduktion verschwunden. Stattdessen kommt Papier zum Einsatz, das allerdings – man ahnt es schon – ebenfalls bereits im Mittelalter verwendet wurde. Erfunden wurde es von den Chinesen schon einige Jahrhunderte vor Christus, doch nach Europa gelangte es erst im 9. oder 10. Jahrhundert über die islamischen Länder. Eine eigenständige Papierproduktion entwickelte sich zuerst in Spanien und Frankreich, in Deutschland gründete der Nürnberger Kaufmann Ulman Stromer 1390 die erste Papiermühle.
Der Rohstoff zur Papierherstellung war damals noch nicht Holz, sondern Lumpen, die in Fetzen gerissen, in Wasser gestampft und zu einem Brei verrührt wurden. Mit einem Siebrahmen, durch den das Wasser ablaufen konnte, wurde diese so genannte Pulpe aus der Bütte geschöpft, auf Filze gestürzt und in einer Presse vom restlichen Wasser befreit. Nach dem Trocknen auf langen Leinen wurden die Bogen in einer Leimlösung getränkt, damit sie später die Tinte besser aufnehmen konnten, erneut getrocknet und schließlich sortiert, gestapelt und in Massen verkauft.
Papier war billig, schnell und in großen Mengen produzierbar, in Sachen Haltbarkeit und Ästhetik jedoch ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem Pergament. In dieser Hinsicht wäre zu wünschen, wir wären von noch ein wenig mehr Mittelalter umgeben als dies ohnehin schon der Fall ist.

Buchtipp:

Lebende Bilder aus dem Luttrell-Psalter

Als Psalter bezeichnet man ein liturgisches Werk, das die König David zugeschriebenen 150 Gebete und Gesänge der Psalmen umfasst. Er diente Geistlichen wie Laien gleichermaßen als Andachtsbuch und wurde im Laufe einer Woche in den Stundengebeten einmal komplett gelesen bzw. gesungen. Ergänzt wurden die Psalmentexte mitunter durch weitere Gebete wie das Vaterunser oder Mariengebete, das Glaubensbekenntnis, ein Antiphon, Kalendarium o.ä.

Psalter zählten in illuminierter Form oder als reine Textausgaben zu den am weitesten verbreiteten Buchformen des Mittelalters. Bei einigen der prachtvollsten erhaltenen Handschriften handelt es sich um Psalter, die mitunter zu Krönungen oder Eheschließungen von Herrschern angefertigt wurden.

Zu den bekanntesten und interessantesten zählt der sogenannte Luttrell-Psalter, der sich heute unter der Signatur Add. MS 42130 in der British Library in London befindet. Er wurde ungefähr zwischen 1325 und 1340 von unbekannten Schreibern und Illuminatoren angefertigt. Auftraggeber war Sir Geoffrey Luttrell (1276-1345), ein wohlhabender adeliger Landbesitzer aus Irnham in Lincolnshire.

Berühmte Darstellung mittelalterlicher Bogenschützen beim Training.

Berühmte Darstellung mittelalterlicher Bogenschützen beim Training.

Bemerkenswert ist der Luttrell-Psalter vor allen Dingen wegen seiner zahlreichen ausdrucksstarken Darstellungen von Alltagsszenen. Die Mediävistik und insbesondere die Kostümforschung hat das Werk schon seit geraumer Zeit als wertvolle Quelle zu Bekleidung, Ausstattung und Alltag sowie haus- und landwirtschaftlichem Gerät der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entdeckt.

Eine Gruppe namens WAG Screen, die sich der filmischen Dokumentation von Geschichte und Kultur in Lincolnshire verschrieben hat, machte sich im Jahr 2008 daran, Szenen aus dem Luttrell-Psalter originalgetreu in Szene zu setzen. Bekleidung, Gerätschaften und Szenerie wurden anhand der Miniaturen der Handschrift rekonstruiert, und im Verlauf eines Jahres wurden die einzelnen Szenen an verschiedenen historischen Schauplätzen in bewegte Bilder umgesetzt.

Zwei Männer pflügen mit einem Ochsengespann. Die Szene ist erstaunlich detailreich, insbesondere die Darstellung des Pflugs lässt deutlich einzelne Konstruktionsmerkmale erkennen.

Zwei Männer pflügen mit einem Ochsengespann. Die Szene ist erstaunlich detailreich, insbesondere die Darstellung des Pflugs lässt deutlich einzelne Konstruktionsmerkmale erkennen.

Der „Luttrell Psalter-Film“ kommt ohne Text aus und bietet dennoch einen wunderbaren Einblick in das ländliche Leben des 14. Jahrhunderts. Eine sehr gelungene Umsatzung einer originellen und absolut nachahmenswerten Idee – es gibt noch zahlreiche illuminierte Handschriften aus dem Mittelalter, die es verdienen, in bewegte und lebendige Bilder übertragen zu werden.

Weitere Informationen sowie Hinweise auf andere spannende Projekte gibt es auf der Seite der Macher: http://www.luttrellpsalter.org.uk. Auf dem YouTube-Kanal von WAG Screen finden sich außerdem weitere Filme und Szenen „hinter den Kulissen“.

Kleine historische Quellenkunde

Die Beschäftigung mit Geschichte beginnt mit der Befragung der Quellen.

Doch was sind „Quellen“ im Sinne der Geschichtswissenschaft? Um es mit den Worten meines einstigen Geschichtslehrers Herrn Theo Hill auszudrücken:

Alles, was aus alten Zeiten auf uns gekommen ist.“

Oder etwas wissenschaftlicher formuliert von Paul Kirn:

Quellen nennen wir alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann“.

Texte: Jegliche Form der schriftlichen Überlieferung aus der Vergangenheit kann der Geschichtswissenschaft grundsätzlich als Quelle dienen, ganz gleich, ob es sich dabei um erzählende Literatur (Romane, Schwänke, Theaterstücke, Sagen, Mythen etc.), wissenschaftliche Texte, Schriftgut der Verwaltung (Akten aller Art, Verträge, Gesetzestexte, Rechnungsbücher, Gerichts- und andere Protokolle etc.), persönliche Aufzeichnungen (Tagebücher, Notizen etc.), Inschriften oder ähnliches handelt. Zu unterscheiden, aber in Relation zueinander zu setzen sind dabei der Inhalt des Textes und seine Form (Sprache, Schrift, Gestaltung, Medium etc.).

Gegenstände: Jedes Objekt, das sich aus früheren Zeiten auf die eine oder andere Weise erhalten hat, kann Auskunft über damalige Lebens- und Produktionsbedingungen geben, auf den Grad der Kunstfertigkeit seines Herstellers sowie Geschmack und Moden verweisen, sowie viele weitere Erkenntnisse liefern, wenn die entsprechenden Untersuchungen möglich sind. Der Bereich der Gegenstände umfasst dabei ein extrem breites Spektrum, von prähistorischen Lederresten oder Feuersteinabschlägen über sterbliche Überreste, weggeworfene Alltagsgegenstände und Grabbeigaben bis hin zu Bauwerken. Der historische Erkenntniswert ist dabei unabhängig vom künstlerischen oder materiellen Wert des Objekts.

Tatsachen: Der Begriff der „Tatsachen“ als historische Quellen ist etwas schwerer zu fassen als „Texte“ und „Gegenstände“. Gerade dieser Aspekt ist jedoch ungemein wichtig und wird gerne übersehen, denn er erinnert uns daran, dass praktisch alles, was uns heute umgibt, mit Geschichte behaftet und historisch aus bestimmten Bedingungen und Umständen heraus erwachsen ist. Gemeint sind also etwa gesellschaftliche oder politische Gegebenheiten wie der Föderalismus in Deutschland, der Zentralismus in England und Frankreich, die europäischen Sprach-, Religions- und Landesgrenzen, die unterschiedlichen Nationalsportarten oder Essgewohnheiten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Werkzeug aus dem Mittelalter

Alles, was aus der Vergangenheit auf unsere Zeit überkommen ist, kann als Quelle historischer Erkenntnis dienen.

Tradition und Überreste

Nach Ernst Bernheim („Lehrbuch der historischen Methode“, 1889) unterscheidet die Geschichtswissenschaft zwei Quellengattungen: als „Tradition“ wird bezeichnet, was von historischen Begebenheiten

übrig geblieben ist, hindurchgegangen und wiedergegeben durch menschliche Auffassung
(Klaus Arnold, Art. Quellen, in: Lexikon der Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2002, S. 253).

Dagegen gilt als „Überrest“, was unmittelbar von den historischen Begebenheiten übrig geblieben ist. Vereinfacht ausgedrückt: „Tradition“ war von vornherein für die Überlieferung an die Nachwelt bestimmt, „Überreste“ hingegen sind mehr oder weniger zufällig und willkürlich erhalten geblieben.
Bücher, Urkunden, Chroniken, Akten und ähnliche Textquellen sind im Allgemeinen zur Tradition zu rechnen, desgleichen Monumente, Inschriften und ähnliches. Eine zufällig als Lesezeichen erhaltene Notiz, ein Einkaufszettel oder dergleichen hingegen gilt als Überrest. Sachgüter wie Essgeschirr, Werkzeuge oder Waffen, die aus einer mittelalterlichen Abfallgrube oder einem Moor geborgen werden, zählen ebenfalls zu letzterer Gattung. Nicht immer ist diese Unterscheidung jedoch mit aller Klarheit zu treffen, der Nutzen einer solchen Kategorisierung wird daher von manchen Historikern angezweifelt. Mitunter entscheidet die Klassifizierung als „Tradition“ oder „Überrest“ jedoch über den Erkenntniswert einer Quelle und über die Fragen, die an sie gestellt werden sollten.

Mittelalterliche Urkunde

Eine mittelalterliche Urkunde in lateinischer Sprache: wann wurde sie geschrieben? Von wem? Wo? Für wen? Mit welcher Absicht? Worum geht es? Wessen Siegel ist angehängt? Was verraten Schreibstil, Material, Ausgestaltung?

Quellenkritik

Quellen können nur dann etwas über die Vergangenheit erzählen, wenn die richtigen Fragen an sie gerichtet werden. Daher gilt es zunächst, sich mit der Entstehung und Überlieferung einer Quelle auseinanderzusetzen. Naturgemäß von höchstem Interesse ist die Frage, wann die Quelle entstanden ist. Zur Datierung von Textquellen können neben direkten oder indirekten (z.B. Erwähnung von bestimmten Ereignissen) Datumsangaben etwa der Schriftstil oder bestimmte Gestaltungsmerkmale dienen. Für Gegenstände kommen neben Stilanalysen vor allem technische Methoden (Dendrochronologie, C14-Methode etc.) in Frage.
Desweiteren gilt es zu bestimmen, wo die Quelle entstanden ist und von wem sie stammt. Insbesondere bei Textquellen ist außerdem die Aussageabsicht von größter Wichtigkeit, sowie die Frage nach dem intendierten Publikum. Bei Sachgegenständen drängen sich Fragen nach Fertigungsweise, verwendeten Werkzeugen, Verwendungszweck, Benutzerkreis etc. auf.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Quellen ist jedoch mit zahlreichen Problemen behaftet. An erster Stelle gilt zu beachten, dass die Überlieferung stets nur einen Ausschnitt darstellt und das Bild der tatsächlichen Begebenheiten nicht unwesentlich verzerren kann. So sind etwa Museen und Archive voll von kostbaren mittelalterlichen Prachthandschriften, die bereits zur Zeit ihrer Entstehung überaus wertvolle Einzelstücke darstellten. Ihr künstlerischer und materieller Wert hat ihre Überlieferung begünstigt, wohingegen etwa die hunderte und tausende Pilgerführer, die im Verlauf des Mittelalters im Umlauf gewesen sein müssen, nicht überdauert haben, weil sie irgendwann veraltet, überholt, unbrauchbar und nutzlos geworden waren und von ihren Besitzern entsorgt worden sind. Derartige Massenartikel sind jedoch ohne Zweifel repräsentativer für die mittelalterliche Buchproduktion und könnten als historische Quelle mehr über das Leben in jener erzählen als etwa der Echternacher Codex.
Viele Texte sind zudem gar nicht von ihren Verfassern auf uns gekommen, sondern durch Bearbeitungen, Abschriften, Übersetzungen, spätere Aufzeichnung ursprünglich mündlicher Überlieferung etc. Es mögen Fehler, bewusste Änderungen, persönliche Ansichten u.ä. in die vorliegende Fassung eingeflossen sein.
Zu beachten gilt außerdem, dass Quellen lügen können – auch das gilt natürlich insbesondere für textliche Überlieferungen. Von gar nicht so seltenen Urkundenfälschungen abgesehen, stellt sich immer die Frage: was war die Absicht des Autors? In Schlachtbeschreibungen geht es oft darum, die Leistungen der eigenen Truppen oder einzelner Beteiligter hervorzuheben. Mittelalterliche Herrscherporträts (in Schrift oder Bild) geben selten ein wirklichkeitsnahes Bild wieder, sondern dienen vornehmlich politischen Zwecken. Gesetzestexte setzen Normen, die jedoch noch keine Aussage darüber zulassen, ob sie eingehalten wurden oder wie sich die Zustände tatsächlich gestaltet haben.

Der "Codex aureus Epternacensis" oder "goldene Codex von Echternach" - eines der prachtvollsten erhaltenen Bücher aus dem Mittelalter, ein Beispiel allerhöchster Kunstfertigkeit. Aber steht sein Wert als Quelle in Zusammenhang mit seinem künstlerischen oder materiellen Wert?

Der „Codex aureus Epternacensis“ oder „goldene Codex von Echternach“ – eines der prachtvollsten erhaltenen Bücher aus dem Mittelalter, ein Beispiel allerhöchster Kunstfertigkeit. Aber steht sein Wert als Quelle in Relation zu seinem künstlerischen oder materiellen Wert?

Jede Quelle ist auf ihre Weise einzigartig und erfordert die ihr angemessenen Fragestellungen, Untersuchungen, kritischen Betrachtungen, Vergleiche etc. Einen Blick für diese Probleme zu gewinnen, die entsprechenden Methoden, Verfahren, Konventionen im Umgang mit Quellen aus verschiedenen Zeiten und Räumen zu erlernen und anzuwenden ist wesentlicher Bestandteil eines geschichtswissenschaftlichen Studiums.

Historische Hilfswissenschaften

Die Fülle unterschiedlicher Quellen hat zahlreiche spezialisierte Disziplinen zu ihrer Erforschung hervorgebracht, auf die ich in zukünftigen Beiträgen näher einzugehen hoffe. Die Epigraphik befasst sich mit Inschriften, die Paläographie mit Handschriften, die Kodikologie mit alten Büchern („Codices“). Zusammen mit etlichen anderen Teildisziplinen werden sie zu den „historischen Hilfswissenschaften“ gezählt, worunter mancher Historiker auch die Archäologie rechnet, sehr zum Ärger der Archäologen. Mit Gegenständen als historischen Quellen befasst sich außerdem die Realienkunde.
Zu den jüngsten Entwicklungen zählt die Entstehung der „experimentellen Archäologie“, die versucht, durch Rekonstruktion und praktische Erprobung Erkenntnisse über die Herstellung und Anwendung historischer Werkzeuge und Verfahren zu gewinnen.

Moderne Ansätze zur lebendigen Vermittlung von Geschichte – Ein kurzer Überblick über Konzepte und Begriffe

Lebendige Geschichtsdarstellung, „Reenactment“ und „experimentelle Archäologie“ sind Begriffe, die seit einigen Jahren auch in der Berichterstattung populärer Medien wie Spiegel Online oder SZ Online immer wieder auftauchen. Oft genug wird dabei jedoch nicht ausreichend zwischen den einzelnen Konzepten unterschieden, werden etwa „Reenactment“ und „experimentelle Archäologie“ als Synonyme verwendet oder unter der Bezeichnung „Histotainment“ zusammengefasst.
Ohne auf ihre Anwendung in didaktischen oder anderen Kontexten näher einzugehen, will ich im Folgenden versuchen, diese Begriffe und die hinter ihnen stehenden Konzepte zu erläutern. Da es keine allgemein gültigen, von einer übergeordneten Instanz festgelegten Definitionen gibt (oder geben kann), spiegeln diese Ausführungen letzten Endes meine persönliche Sicht wider und weichen zum Beispiel mitunter von den verlinkten Definitionen aus der deutschen Wikipedia ab.
Dennoch hoffe ich, mit diesem Beitrag ein wenig Licht ins Dunkel der Begriffe zu bringen und der Sprachverwirrung entgegen wirken zu können.

Living history oder reenactment? Ein "Normanne" und ein "Angelsachse" am Schauplatz der Schlacht von Hastings.

Living history oder reenactment? Ein "Normanne" und ein "Angelsachse" am Schauplatz der Schlacht von Hastings.

Histotainment
Der Begriff ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den englischen Ausdrücken history und entertainment. Bezeichnet werden so gerne Versuche aller Art, mit Geschichte zu unterhalten oder Geschichte unterhaltsam zu präsentieren. Darunter fallen etwa mit Spielszenen angereicherte TV-Dokumentationen zu historischen Themen ebenso wie Darstellungen in Museen oder auf Veranstaltungen wie z.B. Mittelaltermärkten, aber auch Lernspiele, Bastelbücher oder Mitmach-Angebote unterschiedlichster Art.
Der Begriff wurde in der Vergangenheit oft abwertend verwendet, bevorzugt um oberflächliche Geschichtsdarstellungen im Fernsehen zu bezeichnen. Seit 2003 ist „Histotainment“ eine eingetragene Wort- und Bildmarke der Histotainment GmbH Osterburken.

 

Living History
Living History bezeichnet ganz allgemein das Nacherleben vergangener Epochen, das unterschiedliche konkrete Formen annehmen kann. Im Vordergrund steht zunächst weniger die Darstellung nach außen, als das persönliche Erlebnis des Akteurs, der sich für einen begrenzten Zeitraum in Bekleidung, Ernährung, Ausstattung, Handeln, allgemeinen Lebensumständen etc. auf die von ihm gewählte historische Epoche einlässt.
Im weiteren Sinne kann living history auch das allgemeine Erlebbarmachen von Geschichte bezeichnen, von der Anlage eines Klostergartens nach Vorgaben des 10. Jahrhunderts über die Rekonstruktion und Erprobung historischer Fahrzeuge oder Maschinen bis zum Bau von Gebäuden nach historischem Vorbild und mit zeitgenössischen Methoden und Werkzeugen. Auch die Wiederbelebung alter Kampfkünste lässt sich als living history deuten.

Lebendige Geschichte, erlebbare Geschichte
Das gesamte Bedeutungsspektrum des englischen Ausdrucks „living history“ – lebendige Geschichte, Geschichte (er-)leben – lässt sich im Deutschen nicht wiedergeben. Die Bezeichnung „lebendige Geschichte“ wird meistens synonym für living history verwendet. „Erlebbare Geschichte“ betont stärker den Erfahrungscharakter, das Selbermachen, Dabeisein – Geschichte wird nicht einfach lebendig, sondern sie wird zum Leben erweckt, durch Darsteller, Atmosphäre, Ausstattung, Ausübung oder Vorführung historischer Tätigkeiten etc. Im Übrigen gilt das unter dem Stichwort „living history“ Gesagte.

Lebendige Geschichte: Altes Handwerk in Aktion.

Reenactment
Reenactment bedeutet „Wiederaufführung“, ist aber etwas weniger sperrig als der deutsche Ausdruck und seit langem eingeführt. Er bezeichnet die Inszenierung oder Darstellung konkreter historischer Ereignisse – meistens Schlachten, aber etwa auch Hochzeiten, Krönungen, Belagerungen, Hannibals Marsch über die Alpen oder ähnliches. Die Veranstaltung eines Ritterturniers in heutiger Zeit ist zunächst einmal kein Reenactment, es sei denn, es handelt sich um die Inszenierung eines historisch belegten Turniers, das zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit tatsächlich stattgefunden hat, und die Teilnehmer übernehmen Rollen, die sich aus entsprechenden Quellen belegen lassen. Verlauf und Ausgang einer solchen Darstellung sind daher zumindest bis zu einem gewissen Grad durch die Überlieferung vorgegeben: Da King Harold bei der Schlacht von Hastings 1066 ums Leben kam, darf er bei den alljährlichen Reenactments nicht überleben, sein Tod muss also entsprechend inszeniert werden.
Reenactments sind also Bestandteil von living history, aber nicht jede Darstellung von lebendiger Geschichte ist reenactment.

First Person Interpretation
Bei der first person interpretation schlüpft ein Darsteller in die Rolle einer konkreten (realen oder fiktiven) historischen Person. Er spricht also in der 1. Person, ganz gleich, ob er mit Mitspielern agiert oder sich ans Publikum wendet. Während die first person interpretation für Reenactments unabdingbare Voraussetzung ist, gilt das für andere Formen der Geschichtsdarstellung oder living history nicht unbedingt. Anders ausgedrückt: Das Tragen einer historischen Gewandung verpflichtet nicht automatisch dazu, eine Rolle einzunehmen und in deren Sinne zu sprechen und zu agieren.
Einer solchen Interpretation sind natürliche Grenzen gesetzt. Während etwa für das 18. oder 19. Jahrhundert Umgangsformen aus Benimmbüchern und anderen Quellen überliefert sind, ist deren Anwendung im Alltag keineswegs immer gesichert. Noch problematischer sind Darstellungen aus früheren Epochen wie Mittelalter oder Antike, wo bereits die Sprachformen (Mittelhochdeutsch, Latein o.ä.) Darsteller wie Publikum vor kaum zu überwindende Probleme stellen.

Third Person Interpretation
Im Unterschied zur first person interpretation wird bei der Verwendung der 3. Person die Distanz zur dargestellten Epoche gewahrt. Der Darsteller trägt zwar zeitgenössische Bekleidung, übt vielleicht auch historische Tätigkeiten aus oder führt diese vor, bleibt dabei jedoch er selbst, spielt also keine Rolle. Diese Form der Interpretation erleichtert die Interaktion mit dem Publikum und eignet sich besonders für Museumsführungen, Programme in Schulen und ähnliche Veranstaltungen, die in einem eindeutig modernen, didaktischen Kontext stehen und keine Spielszenen umfassen oder erfordern. Insbesondere für Epochen oder Kulturen, bei denen Sprach- oder andere Schwierigkeiten einer first person interpretation entgegenstehen, bietet sich die 3. Person als Alternative an.

Experimentelle Archäologie oder doch "nur" living history? Rekonstruktion und Betrieb eines Tretkrans nach mittelalterlichem Vorbild.

Experimentelle Archäologie oder doch "nur" living history? Rekonstruktion und Betrieb eines Tretkrans nach mittelalterlichem Vorbild.

Experimentelle Archäologie
Die experimentelle Archäologie versucht, durch archäologische Untersuchungen gewonnene Erkenntnisse durch praktische Anwendung zu verifizieren. Zu ihren typischen Aufgaben zählen etwa Nachbau und Erprobung historischer Werkzeuge, Waffen, Gewebe, Fahrzeuge, Alltagsgegenstände, Behausungen etc., aber auch Färbeversuche mit Pflanzenfarben, Eisengewinnung im Rennfeuerofen und vieles mehr. Im Vordergrund steht der Erkenntnisgewinn durch wissenschaftliche Methoden, d.h. Quellenlage, Vorbereitung, Durchführung und Ergebnisse des Experiments werden nach bestimmten Standards dokumentiert. Das „Erlebbarmachen“ von Geschichte ist dagegen zweitrangig, Experimentalarchäologen tragen nur ausnahmsweise historische Bekleidung und üben ihre Arbeit nicht vorrangig vor Publikum aus. Dennoch gibt es Überschneidungen mit der living history, die in vieler Hinsicht auf den Erkenntnissen der experimentellen Archäologie basiert und deren Protagonisten im besten Fall auch selbst nach experimentalarchäologischen Standards arbeiten.
Die „Europäische Vereinigung zur Förderung der experimentellen Archäologie e.V.“ (EXAR) bemüht sich u.a. um eine Vereinheitlichung solcher Standards.

LARP
LARP ist die Abkürzung für live action role play, oft auch als Live-Rollenspiel bezeichnet. Die Akteure spielen eine Rolle und tragen entsprechende Kostüme. LARPs können in einem historischen Kontext stattfinden, weit häufiger sind jedoch Fantasy- oder Science Fiction-Szenarien. Anders als bei Reenactments folgen die Geschichten keinem festen „Drehbuch“, sondern können je nach Verhalten und Interaktion der Akteure einen anderen Verlauf nehmen. Beim LARP geht es nicht um die Darstellung von Geschichte, sondern um das Erleben von Geschichten.

SCA
Die Society for Creative Anachronism („Gesellschaft für kreativen Anachronismus“, SCA) wurde 1966 von US-amerikanischen Studenten gegründet. Inzwischen gibt es zahlreiche Gruppen und Anhänger auf der ganzen Welt, die in frei erfundenen „Königreichen“ organisiert sind. Einige Mitglieder betreiben sehr ernsthafte Forschungen und versuchen, das Leben vor dem Jahr 1600 zu rekonstruieren und erlebbar zu machen. Andererseits inkorporiert die Welt der SCA aber auch zahlreiche Elemente des LARP, etwa in ihren Turnieren, bei denen Polsterwaffen zum Einsatz kommen, oder in Szenarien, mit denen die Geschichte der fiktiven Königreiche erzählt wird. Das (inoffizielle) Motto der SCA lautet: „Das Mittelalter, wie es hätte sein sollen“.

Poster zum Download

Das kommt dabei heraus, wenn ein Historiker seiner Kreativität die Zügel schießen lässt …

Die Poster (pdf-Dateien) im Format DIN A4 dürfen heruntergeladen, ausgedruckt, aufgehängt, weiter verbreitet, verschenkt, aber in keiner Weise verändert oder kommerziell genutzt werden.

Ich freue mich über Kommentare, Ideen, Vorschläge oder Fotos von der Verwendung der Poster, entweder hier oder auf meiner Facebook-Seite. Viel Spaß!

Historian at work!

Historian at work!

 

Warning!

Warning! You are about to enter The Middle Ages! Proceed at own risk!

 

You are about to have a date with History

You are about to have a date with History!

 

Bill Bryson: At Home. A Short History of Private Life

Sometimes, a good history book is not about the latest findings, recent discoveries, or new theories.
Sometimes, a good history book is a book of good stories.
Sometimes – once in a while – an author can make us look at the most common and mundane objects that surround us every day, and see them in a whole new light, as if we had never noticed them before. He can take some well-known facts, and some not-so-well-known stories, and put them together in such a way that all of a sudden connections become visible, relations seem to emerge, causalities are revealed, that may have been there all along, but have never caught our attention before.
In his great book „At Home“, Bill Bryson does just that. He takes his readers with him as he wanders around his house, a 19th century English rectory, and wonders about the layout and purpose of each of the individual rooms, how they came to be called „study“ or „drawing room“, and more generally, how domestic living developed over the centuries. Equipped with almost child-like curiosity, but also an extensive library and vast knowledge, he invites us on a journey through time and space.
His map is the floor plan of his house. And since each of the rooms serves one or more specific purposes, Bryson is able to cover such diverse subjects as cooking and nutrition, sexuality and marriage, lighting and reading, dress and fashion, childhood and upbringing, air pollution, wages, and many, many more. His main focus lies on Great Britain and the United States, and the 18th and 19th centuries, when domestic life gradually took the shape we are so familiar with today. But he also ventures deep into pre-history and ancient times, following the trails of art and artefacts, the traces of civilisation and mankind.
Bryson is a great entertainer and good writer with a good eye for all the funny, tragic, and ironic little details in history. Even his accounts of rather well-known facts or episodes have a certain twist to them, a different, unexpected perspective. He finds the right mix of learnedness and humour to not allow for a single moment of boredom throughout the 600+ pages of his work. „At Home“ is a treasure chest of knowledge, facts, stories, anecdotes, wisdom, and fun that you don‘t want to lay aside until you‘ve finished it, and then want to read it again, and quote it at your next dinner party. (Why is it called „dinner“? Bryson gives the answer!)
Sometimes, all it takes for a good book is a fresh perspective on a mundane subject. But it takes a great writer to accomplish that. Thumbs up for Bill Bryson and „At Home“!

Copyright – Ein Kommentar aus dem Mittelalter

Colum Cille, auch genannt Columban der Ältere oder Columban von Iona, war ein irischer Mönch und Missionar des 6. Jahrhunderts. Geboren 521 oder 522 im heutigen County Donegal, wurde er einer von zwölf Schülern des heiligen Finnian, die später als „Zwölf Apostel Irlands“ werden sollten. Über seinen Vater war er mit dem mächtigen und kriegerischen Clan der Uí Néill verwandt, die damals über die Provinz Ulster herrschten und den Titel des Hochkönigs von Irland beanspruchten.

Darstellung des hl. Columba in einem Buntglasfenster in St. Margaret's Chapel, Edinburgh Castle.

Darstellung des hl. Columba in einem Buntglasfenster in St. Margaret's Chapel, Edinburgh Castle. (Quelle: Wikipedia/Wikicommons)

Um das Jahr 560 besuchte Colum Cille seinen alten Lehrmeister Finnian in dessen Kloster Drumm Finn. In dessen Bibliothek entdeckte er einen prächtigen Psalter und bat seinen Besitzer, ihn abschreiben zu dürfen. Bücher waren zu jener Zeit in Irland noch überaus rar, und es war üblich, dass einzelne Werke von einem Kloster an das nächste ausgeliehen wurden, um Kopien anzufertigen, oder dass Mönche von Kloster zu Kloster reisten, um Abschriften zu erstellen.

Finnian allerdings verweigerte seinem ehemaligen Schüler die Genehmigung, den betreffenden Psalter zu kopieren. Daraufhin entschloss sich dieser, es heimlich dennoch zu tun, und ging im Skriptorium des Klosters sogleich ans Werk. Finnian jedoch entdeckte die Abschrift und ließ sie konfiszieren, da Colum Cille gegen seinen ausdrücklichen Willen gehandelt habe. Dieser jedoch argumentierte, dass es sich bei der Kopie um sein eigenes Werk handele und er ja nicht das Original zu entwenden trachtete.

Der Disput zog sich einige Zeit lang hin, und schließlich wurde der Fall dem König von Tara, Diarmait mac Cerbaill vorgelegt und dieser um eine Entscheidung gebeten. Das Urteil des Herrschers lautete: „Die Kopie gehört zum Buch wie das Kalb zur Kuh.“

Seite aus dem Buch "Cathach", bei dem es sich um den von St. Columba widerrechtlich kopierten Psalter handeln soll. (Quelle: Wikipedia/Wikicommons)

Seite aus dem Buch "Cathach", bei dem es sich um den von St. Columba widerrechtlich kopierten Psalter handeln soll. (Quelle: Wikipedia/Wikicommons)

Colum Cille war mit dieser Entscheidung erwartungsgemäß alles andere als zufrieden und verfluchte den König. Wahrscheinlich ist es daher mehr als Zufall, dass sich die Familie des streitbaren Mönchs 561 bei Cúl Dreimne eine erbitterte Schlacht mit dem Clan des Königs lieferte, bei der auf beiden Seiten zahlreiche Krieger ums Leben kamen.

Eine Synode verurteilte Colum Cille daraufhin und drohte, ihn zu exkommunizieren. Doch der heilige Brendan setzte sich für ihn ein und erwirkte, dass das Urteil in Verbannung umgewandelt wurde. Colum Cille erklärte sich bereit, als Missionar nach Schottland zu gehen und so viele Menschen zu bekehren, wie in der Schlacht getötet worden waren. Er begann seine Missionstätigkeit im Jahr 563 und kehrte nur einmal für einen kurzen Besuch in sein Heimatland Irland zurück.

Colum Cille starb 597 in dem von ihm gegründeten Kloster auf Iona. Er gilt heute als einer der erfolgreichsten Missionare und bedeutendsten Heiligen Irlands. Wenig verwunderlich, dass er auch als Schutzpatron der Buchbinder Verehrung findet …

Bei der von Colum Cille angefertigten Kopie soll es sich übrigens um das Buch „Cathach“ („Krieger“) handeln, dass sich heute in der Royal Irish Academy in Dublin befindet.

"Populäre" vs. "akademische" Geschichte?

Anlässlich der Verleihung des Wolfson History Prize warf Professor Sir Keith Thomas jungen Nachwuchshistorikern kürzlich vor, ihre Thesen lieber in populären Publikationen für einen Massenmarkt zu verbreiten, als sich seriöser akademischer Forschung zu widmen. Einem Beitrag in der britischen Tageszeitung The Independent zufolge sieht der angesehene Historiker aus Oxford in der zunehmenden und erfolgreichen Popularisierung geschichtlicher Themen eine Gefahr für den „Status akademischer Forschung“. Seine Abneigung, die er mit dem Autor des Artikels im Independent und zahlreichen Fachkollegen teilt, richtet sich in erster Linie gegen die als „tele-dons“ diffamierten jungen Moderatoren populärer Geschichtssendungen im britischen Fernsehen, die im Kampf um Ruhm und Einschaltquoten wissenschaftliche Standards hintanstellten, Geschichte kommerzialisierten und komplexe Themen auf leicht konsumierbare Appetithäppchen reduzierten.

Sir Keiths Thesen haben im web 2.0 eine angeregte Debatte ausgelöst, in die sich am Tag darauf auch die britische Tageszeitung The Telegraph einschaltete. In seinem Artikel verteidigt Autor Peter Stanford die jungen Historiker und TV-Moderatoren, deren Arbeit viel dazu beitrage, ein breites Publikum überhaupt für historische Themen zu interessieren. Nicht den Akademikern, sondern den Autoren populärwissenschaftlicher Werke sei es schließlich zu verdanken, dass sich die Verkaufszahlen von Büchern mit historischen Themen in Großbritannien im vergangenen Jahrzehnt ungefähr verdoppelt haben. Statt den TV-Historikern vorzuwerfen, ihre Themen für ein breites Publikum bis zur Bedeutungslosigkeit zu trivialisieren, sollte man lieber fragen, warum so viele Hochschullehrer Geschichte auf so trockene und langweilige Art vermittelten, so der Autor.

Ich muss gestehen, ich beneide die Briten um diese Debatte – wie um so vieles, das mit Geschichte zu tun hat! Wo sind in diesem Land die jungen Historiker, die den Buchmarkt mit populären Darstellungen historischer Themen bereichern? Wo sind die Dokumentarserien im Fernsehen, die Lust auf Geschichte machen? Sind „Deutschlands Supergrabungen„, Guido Knopp, „Hitlers Hunde“, Drittes Reich und RAF tatsächlich das Einzige, was Deutschlands Vergangenheit zu bieten hat?

Auf die Diskrepanz zwischen „populären“ und „akademischen“ Geschichtsbildern habe ich unlängst bereits in einem Interview mit L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung hingewiesen. Und nach wie vor bin ich der Ansicht, dass „populär“ nicht gleichbedeutend sein muss mit „trivial“. Geschichte ist nun mal für alle da, und sie ist  zu wichtig, um ihre populäre Darstellung allein in den Händen nicht fachlich ausgebildeter Laien, ihre wissenschaftliche Erforschung unter Ausschluss der Öffentlichkeit in den Gewölben des akademischen Elfenbeinturms vermodern zu lassen.

Ein Problem, das in Großbritannien, Deutschland und zahlreichen anderen Ländern gleichermaßen akut ist, besteht im Mangel an Berufsperspektiven für junge Historiker. Auf befristeten Arbeitsverträgen lässt sich auf Dauer keine Zukunft aufbauen. Der Taxi fahrende Geisteswissenschaftler mag eine Ausnahmeerscheinung sein – der an Universität oder Forschungseinrichtung fest angestellte junge Dr. Phil. ist es jedoch inzwischen auch! Kann man den britischen Kollegen da wirklich einen Vorwurf machen, wenn sie lukrative Angebote der TV-Sender und Publikumsverlage annehmen? In Deutschland lauten die  Alternativen derzeit vornehmlich Schuldienst, Journalismus oder freie Wirtschaft. Wie viel Potenzial geht da verloren?

Ja, ich wünsche mir, auch auf deutschen Fernsehbildschirmen junge, ausgebildete Historikerinnen und Historiker sehen zu können, die ihr Fachwissen auf unterhaltsame, spannende Weise einem breiten Publikum zugänglich machen. Die durch ihre Persönlichkeit, ihren eigenen Lebensweg vermitteln, dass die ernsthafte Beschäftigung mit Geschichte durchaus Spaß macht. Dass hinter aller Auseinandersetzung mit Quellen, Zahlen, Fakten doch immer die Menschen einer vergangenen Zeit im Mittelpunkt des historischen Interesses stehen (oder stehen sollten …).

Und wenn eine solche populäre, vielleicht sogar triviale Darstellung von Geschichte im Fernsehen, in Büchern, auf Veranstaltungen, im Internet oder wo auch immer vermehrt stattfindet, wenn sie Widerspruch aus wissenschaftlichen Kreisen nach sich zieht, wenn sie eine öffentliche Debatte um „akademische“ und „populäre“ Geschichte auslöst – wäre das nicht allemal besser als ein fortgesetztes Nebeneinander zweier Welten, zwischen denen keine Verständigung stattfindet, ja, nicht einmal versucht wird?

Wirklich, ich beneide die Briten …