Alte Berufe und Familiennamen

HistoFakt. Historische Dienstleistungen betreibt keine Genealogie, Ahnen-, Familien- oder Namensforschung. Doch mitunter kommen Anfragen und Bitten, die Herkunft eines Familiennamens zu klären, der sich offenkundig auf eine historische Berufsbezeichnung zurückführen lässt. Die Namen der folgenden Auswahl gehen entweder auf solche Anfragen zurück oder kamen bei Recherchen zur Reihe „Berufe im Mittelalter“ für die Zeitschrift Karfunkel zum Vorschein.

Beckenbauer: Keiner der Becken baut (das wäre ein Beckenschläger), sondern ein Bauer, der gewissermaßen im Nebenerwerb als Bäcker tätig war. Noch im Spätmittelalter verfügten die wenigsten Haushalte über eigene Backöfen. Auf den Dörfern befanden sie sich oft im Besitz des Grundherrn, der ihre Benutzung einerseits vorschrieb, andererseits dafür Gebühren verlangte. Alternativ buk der örtliche Beckenbauer den angelieferten Teig der Dörfler gegen Bezahlung zu Brot.

Bogner: Ein Bogner fertigte Bögen aus Holz zum Bogenschießen oder (später) Bögen für Armbruste aus Holz, Laminaten von Horn, Holz und Sehne oder aus Stahl. Heute wird die Bezeichnung gelegentlich fälschlich für Bogenschützen verwendet. Weiterlesen

Fundstücke KW 30

Seit dem 11. Juli präsentiert das Museum Keltenwelt am Glauberg die Sonderausstellung „Von der Steinzeitjagd zum modernen Bogensport“. Die kleine, aber feine Schau, die von Archäologe und Bogenbauer Christian Schürmann ursprünglich für das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen konzipiert wurde, zeichnet anhand von zahlreichen rekonstruierten Bögen und Pfeilen sowie originalen Zielen, verschiedenem Zubehör, Bildern und Literatur die Entwicklung von Pfeil und Bogen in Europa nach.
Im Rahmen des Begleitprogramms werden im Herbst einzelne Aspekte dieser spannenden Geschichte in Form von Vorträgen vertieft. Meine Wenigkeit wurde eingeladen, am 13. November zum Thema „Pfeil und Bogen im antiken Griechenland“ zu referieren.
http://www.keltenwelt-glauberg.de/de/aktuelles/news/

Die Burgruine Eppenstein (12. Jh.) in der Steiermark wird seit fünf Jahren archäologisch untersucht, u.a. von Studierenden der Archäologie, die hier erste Praxiserfahrungen sammeln können. Nun ist dort das mit 1.650 Exemplare bislang größte Depot von Armbrustbolzen entdeckt worden, wie derstandard.at berichtet: http://derstandard.at/2000003391067/Groesstes-europaeischeArmbrustbolzen-Depot-inBurgruine-Eppenstein-entdeckt

Plakat Ritterturnier (c) Museum Allerheiligen/Schaffhausen (CH)

Plakat Ritterturnier (c) Museum Allerheiligen/Schaffhausen (CH)

In Schaffhausen (CH) fand vom 11. bis zum 20. Juli 2014 als Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung „Das Turnier: Geschichte einer Festkultur“ ein Ritterturnier statt, bei dem sich die internationalen Teilnehmer in minutiös rekonstruierten Rüstungen mit Lanzen mit Metalkronen im Tjost und verschiedenen anderen Dispziplinen maßen – nicht (nur) zur Show, sondern als ernstzunehmender sportlicher Wettkampf. Ich hätte gerne aus erster Hand berichtet, aber widrige Umstände verhinderten leider meine Anwesenheit. Daher hier nur einige Links zum Thema – für weitere Hinweise bin ich dankbar!

 

Und einige aus dem Publikum aufgenommene Videos:

Die offizielle Seite der Ritterspiele: http://www.allerheiligen.ch/component/content/article/43-uncategorised/387-ritterspiele-live

… und Informationen zur Ausstellung: http://allerheiligen.ch/de/wechsel-und-sonderausstellungen/375-ritterturnier-geschichte-einer-festkultur

 

Fundstücke KW 27

Hans-Ulrich Wehler war ohne Frage einer der profiliertesten, bekanntesten und streitbarsten Historiker Deutschlands. Durch die kahlen Gänge der Universität Bielefeld wehte auch noch zu meiner Studienzeit sein Geist, wenngleich er da selbst bereits emeritiert war. An der von ihm mitbegründete kritischen Sozialgeschichte der „Bielefelder Schule“ hält man dort noch immer gerne fest, wenngleich ihre Methoden und Ansichten inzwischen bereits etwas verstaubt, um nicht zu sagen: vermodert müffeln. Aber das ist natürlich nicht dem Manne anzulasten, der sie vor 40 Jahren als damals zeitgemäße Form der Geschichtsschreibung mit ins Leben gerufen und wesentlich geprägt hat.
Am Samstag, den 5. Juli 2014 ist Hans-Ulrich Wehler im Alter von 82 Jahren in Bielefeld verstorben: Nachruf auf Spiegel Online.

Am Wolfgangsee wurden 2009 die Überreste einer Pilgerherberge aus dem 17. Jahrhundert entdeckt. Die Ausgrabungen, Untersuchungen, Vermessungen mit Hilfe von Bodenradar etc. dienten nun als Grundlage für die dreidimensionale virtuelle Rekonstruktion der Unterkunft, berichtet derstandard.at.
Hier gibt es weitere Informationen und Bilder des Forschungsprojekts: „Auf den Spuren des heiligen Wolfgang„.

Aus einem Götzen wird ein Heiliger, aus einem heidnischen Heiligtum eine Kirche: So geschehen im 10. Jahrhundert in Harsefeld bei Stade, wie Angelika Franz auf Spiegel Online berichtet.

Wunderbar passend zum Thema eines Artikels, an dem ich gerade arbeite, verlinkt Hiltibold aus Graz den Aufsatz Morten Hegewisch: Lampen im Barbaricum. Ein Beitrag zur Beleuchtung in germanischen Siedlungen, in: Tanya Armbruester/Morten Hegewisch (Hgg.), Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte der iberischen Halbinsel und Mitteleuropas (Studien zur Archäologie Europas 11), Bonn 2010, S. 193-228. (Via academia.edu, Download (pdf) nach Anmeldung.)

Außerdem hat Hiltibold wieder interessante Podcasts und Audiofiles gesammelt.

 

(Un-) Mittelalterliche Küche

Das Thema „Ernährung im Mittelalter“ weist noch immer etliche Lücken, Forschungsdesiderate und auch Uneinigkeiten unter Historikern und Archäologen auf. Deutet z.B. die geringe Zahl von im Umfeld mittelalterlicher (Adels-)Burgen gefundener Wildknochen darauf hin, dass die Jagd für die Ernährung keine große Rolle gespielt hat? Oder ist sie dadurch zu erklären, dass die erlegten Tiere an Ort und Stelle aufgebrochen wurden, die Knochen also im Wald oder auf dem Feld verblieben und nur das Fleisch in die heimische Küche geschafft wurde? (Vieles spricht für letztere These.)
Auch zahlreiche andere Aspekte des Themas bieten reichlich Möglichkeiten zu kritischer Quellenarbeit, zu Makro- und Mikrostudien oder auch zu praktischer Erprobung, Rekonstruktion und experimenteller Archäologie.

Festmahl Wilhelms des Eroberers auf dem Teppich von Bayeux (um 1070).

Festmahl Wilhelms des Eroberers auf dem Teppich von Bayeux (um 1070).

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Fundstücke KW 20

Die vergangene Woche brachte im wahrsten Sinne des Wortes etliche Fundstücke zu Tage.

Nächstens  mehr!

Fundstücke KW 19

Folgende Links und Seiten sind mir im Lauf der Woche ins Netz gegangen:

Zunächst die Entdeckung und Ergrabung einer sächsischen Befestigung des 6.-10. Jahrhunderts an der Schwinge bei Stade:

Die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter wurde vom Club der Wissenschaftsjournalisten zur Wissenschaftlerin des Jahres 2013 gewählt. Unter der Überschrift „Lehren aus der Umweltgeschichte“ gibt es auf kurier.at einen Blick auf ihre jüngste Publikation (zus. mit Hans-Rudolf Bork), Die Geschichte unserer Umwelt. Eine Weltreise in 60 Stationen, Darmstadt: Primus Verlag 2014, sowie ein Porträt der Forscherin.

In der Kathedrale von Durham bieten archäologische Funde interessante Einblicke in vergangene Ernährungsgewoghnheiten:

Hiltibold hat wieder etliche Audiobeiträge zusammengetragen, u.a. zum Konstanzer Konzil und zum Kloster Lorsch:

Die bereits erwähnte Plagiatsdebatte („Radergate“) zieht noch immer und zunehmend größere Kreise. Zunächst (am 5. Mai) greift Patrick Bahners in der FAZ den Verlag C.H. Beck und insbesondere den Autor Olaf Rader an.
Fehler, Schwächen und Unsinnigkeiten der Argumentation Bahners nimmt dann Martin Bauch auf mittelalter.hypotheses.org ins Visier.
Dessen Ansichten kann wiederum Klaus Graf von Archivalia nicht nachvollziehen …

In seinem Artikel bezeichnete Patrick Bahners zudem die Mittelalterarchäologie als „hochspekulative Wissenschaft“. Das ist natürlich Unsinn (s.o.), und so sieht es auch Maxi Maria Platz:

Ist das nun alles Zirkus und Kindergarten oder steht tatsächlich die Zukunft geisteswissenschaftlicher Forschung auf dem Spiel? Muss man Position beziehen? Können (dürfen?) wir zum Tagesgeschäft zurückkehren oder gilt es, nun alle historischen Sachbücher der vergangenen zehn Jahre sorgfältig nach geklauten Satzfetzen zu durchwühlen?
Ich persönlich widme mich lieber wieder meiner Arbeit und wünsche eine angenehme Woche!

Das Mittelalter im Südwesten

Kürzlich hatte ich auf die Themenwoche „Das Mittelalter im Südwesten“ des SWR Fernsehens hingewiesen. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, die zweiteilige gleichnamige Dokumentation zu sehen und mir ein Urteil zu bilden.

Ganz ohne Frage hat sich der SWR große Mühe gegeben – nicht nur was die Zusammenarbeit mit Experten und living history-Darstellern betrifft, sondern auch bei Recherche und Präsentation. Moderatorin Lena Ganschow wirkt sehr sympathisch und ernsthaft an ihrem Thema interessiert, spult nicht nur ein Programm ab, sondern vermittelt echten (oder gut gespielten) Spaß an der Sache, macht einen neugierigen und faszinierten Eindruck, statt allwissende Überheblichkeit zu verbreiten wie manche ihre Kollegen.

Der erste Teil widmet sich der Welt der Ritter und Burgen – ein Thema, das viele Menschen anspricht und wohl für die gewünschten Einschaltquoten gesorgt haben dürfte. Leider aber auch ein Thema, das inzwischen reichlich abgenutzt und wiedergekaut erscheint. Da hätte ich mir vom Sender etwas mehr Mut gewünscht, sich etwa dem Handwerk, der Ernährung, Reisen, Handel, Landwirtschaft oder dergleichen zuzuwenden – vielleicht in künftigen Sendungen?

Das gewählte Thema wurde jedenfalls recht vielseitig  beleuchtet, vom Aufbau mittelalterlicher Burgen über die Herstellung und das Tragen von Rüstungen bis zu Belagerungsmethoden und der Rekonstruktion mittelalterlicher Armbruste. Immerhin wurde auch ein mittelalterliches Festmahl nachgekocht, wobei ich mir mehr Informationen über Zutaten und Zubereitung gewünscht hätte.
Die Darstellertruppe von „Anno 1476 – Städtisches Aufgebot e.V.“ machte ihren Job jedenfalls sehr gut, offenbart jedoch ein Problem der Sendung: Wie der Name schon sagt, haben sie eigentlich wenig mit Rittern und Burgen zu tun, deren Höhepunkt im 15. Jahrhundert ohnehin bereits deutlich überschritten wird. Beim Thema „Rüstung“ wurde dann auch zwischen der Präsentation eines hochmittelalterlichen Ritters mit Kettenhemd und Topfhelm und einem Darsteller in spätgotischem Harnisch (der die Beweglichkeit in „Vollplatte“ eindrucksvoll demonstrierte) hin und her gewechselt, ohne darauf hinzuweisen, dass zwischen den beiden Gestalten ein Zeitraum von etlichen hundert Jahren lag.
Überhaupt kamen konkrete Datierungen des Gezeigten und der behandelten Aspekte zu kurz bzw. gar nicht vor, so dass die rund tausendjährige Geschichte des Mittelalters (wieder einmal) als  mehr oder weniger einheitliche Epoche erschienen – irgendwie halt alles „Mittelalter“. Dabei wurde doch gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass es sich entgegen populärer und früherer Vorstellungen um eine dynamische Zeit der Veränderung, der Innovationen und Grundsteinlegung für spätere Entwicklungen handelte. Hier wurde eine Chance verpasst, diese Dynamik an konkreten Beispielen festzumachen – schade!
Dennoch hob sich die gesamte Gestaltung der Sendung meiner Ansicht nach wohltuend von der sonst oft üblichen Mittelalterdarstellung im deutschen Fernsehen ab. Auf Schlachtendarstellungen, reißerische Spielszenen und ähnliche Showeffekte wurde dankenswerterweise verzichtet, und von kleineren Nachlässigkeiten und Ungenauigkeiten abgesehen bot das Format solide Information für ein interessiertes Publikum.

Der zweite Teil befasste sich mit dem Konzil von Konstanz 1414-1418 und der Stadt, in der es tagte. Hier waren die historischen Darsteller eindeutig besser aufgehoben, und die Beschränkung auf einen konkreten Raum und eine enge Zeitspanne machten es der Redaktion ohne Frage leichter, das Problem der historischen Verortung des Gezeigten und der Wiederholung von Jahreszahlen zu umschiffen.
Historischer Alltag, Ernährung, Glaube, Bekleidung, Handel und Handwerk wurde hier zumindest schlaglichtartig kurz beleuchtet. Außerdem kamen die anhaltende Faszination am Mittelalter, seine moderne Verklärung und Reduktion auf Rittertum und Kriegswesen zur Sprache, u.a. am Beispiel eines jährlichen „Mittelaltermarkts“ in Angelbachtal.

Ebenfalls Teil der Themenwoche war eine Ausgabe der Sendung „Planet Wissen“, in welcher der Aachener Unternehmer Bert M. Geurten sein Projekt „karolingische Klosterstadt Campus Galli“ vorstellen durfte. Angesichts der seit einiger Zeit von verschiedenen Seiten zunehmenden Kritik und insbesondere der jüngsten Vorwürfe der Misswirtschaft und Verschwendung von Steuergeldern (u.a. durch den Bund der Steuerzahler) hätte ich mir an dieser Stelle mal einige kritische Fragen und ein wenig Aufklärung gewünscht. Doch das passte wohl nicht zum Wohfühl-Konzept der Sendung, und so hatte der Zuschauer wieder einmal den Eindruck, einer Werbesendung mit zwei dauergrinsenden Moderatoren und einem onkelhaften Unternehmer beizuwohnen, der ganz selbstlos und uneigennützig der Welt und insbesondere der Tourismus-Region Bodensee ein visionäres mittelalterliches Erlebnisprojekt schenkt.
Mit Ungereimtheiten und dem Propagandagehalt der Sendung hat sich Hiltibold hinreichend auseinandergesetzt. 

Über die Seite des SWR zum „Mittelalter im Südwesten“ gibt es noch einige weitere Links und kürzere, z.T. ältere Clips und Videos zu sehen. Ich finde es sehr begrüßenswert, dass sich der Sender mit diesem Thema auseinandersetzt und halte die Umsetzung bei aller vorsichtigen Kritik durchaus für gelungen. Es bleibt zu hoffen, dass der SWR seine Bemühungen in dieser Hinsicht fortsetzt und vielleicht anderen Sendern ein gutes Beispiel liefert. Dafür drücke ich die Daumen!

Weitere Filme und Ausschnitte auch auf dem YouTube-Kanals des SWR.

Mal wieder: Mittelalter im TV

Am 27. April 2014 widmet das SWR Fernsehen einen Thementag dem „Mittelalter im Südwesten„. Begleitend dazu laufen die ganze Woche über Beiträge in verschiedenen Formaten. Das Themenspektrum deckt mit dem Konstanzer Konzil (1414-1418) oder den Rittern und ihren Turnieren auch die großen aktuellen Ausstellungen in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen, im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen sowie in Konstanz ab (mehr dazu im Blogbeitrag vom 17. April).

Das Mittelalter im Südwesten | (c) SWR

Das Mittelalter im Südwesten | (c) SWR

Ein eigener Beitrag beschäftigt sich mit dem Projekt „Karolingische Klosterstadt“ in Messkirch, wo der Aachener Unternehmer Bert M. Geurten dank Finanzierung von EU, Land und Stadt den St. Gallener Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert in die Realität umsetzen will. Das Unternehmen ist im Lauf des vergangenen Jahres zunehmend in die Kritik (u.a. vom Bund der Steuerzahler) geraten, scheint mehr oder weniger pleite zu sein und muss daher wohl bereits mit zusätzlichen Steuergeldern unterstützt werden.
Während zahlreiche lokale und regionale Printmedien die kritischen und warnenden Stimmen seit geraumer Zeit geflissentlich ignorieren und lieber kommentarlos die (zahlreichen) PR-Verlautbarungen des Herrn Geurten veröffentlichen, bleibt abzuwarten, ob sich der (öffentlich-rechtliche) SWR in seiner Berichterstattung etwas kritischer zeigt.

An der Mittelalter-Reihe des Senders sind auch die Sendungen Odysso und Planet Schule bezeichnet. Letztere wird sich im Oktober noch einmal intensiv dem Thema „Mittelalter“ zuwenden, doch Beiträge zu „Das Mittelalter-Experiment“ sind online bereits jetzt abrufbar. Aus der Programmbeschreibung:

„Das Mittelalter – rückständig, kulturlos und finster. Diese Vorstellung über eine fast 1000 Jahre dauernde Epoche hält sich hartnäckig in unseren Köpfen.
Die sechsteilige Reihe von Planet Schule zeigt ein differenziertes Bild: Sie nimmt die Zuschauer mit auf eine Entdeckungsreise durch ein faszinierendes Zeitalter mit erfindungsreichen, gläubigen und zugleich sehr pragmatischen Menschen. Die Filme blicken aus der Perspektive der heutigen Mittelalterforschung auf mittelalterliches Leben, Kultur und Alltag.
Experimente, sorgfältige Reenactments und spektakuläre 3D-Animationen lassen das Mittelalter lebendig werden.“

Ich bin gespannt – immerhin werden fast gleich lautende Behauptungen auch regelmäßig von anderen Geschichtssendungen aufgestellt und dann doch oft genug nicht einmal ansatzweise in die Tat umgesetzt. Allerdings lässt die Beteiligung namhafter Darsteller und Unternehmen wie z.B. „Geschichtsfenster“ sowie die Tatsache, dass man sich für die Dreharbeiten offenbar viel Zeit gelassen und Vorschläge oder Einwände der Beteiligten ernst genommen hat, auf qualitativ hochwertigeres TV-„Edutainment“ hoffen.

Hier noch einmal die Links im Einzelnen:

 

Fundstücke KW 14

Ausgerechnet am 1. April las ich eine Meldung, die sich leider als wahr herausstellte: In Paris ist im Alter von 90 Jahren der große französische Historiker Jacques Le Goff (*1.1.1924) verstorben.

Jacques Le Goff (1.1.1924-1.4.2014) via medievalists.net

Jacques Le Goff (1.1.1924-1.4.2014) via medievalists.net

Le Goff war einer der bedeutendsten Mediävisten der Gegenwart und Mitherausgeber der Zeitschrift „Annales“. An der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) lehrte er von 1962 bis zu seiner Emeritierung 1977, seit 1972 als Nachfolger von Fernand Braudel.
Auch außerhalb der Universität war Le Goff sehr aktiv. Mit seinen zahlreichen Publikation, Auftritten, Vorträgen etc. trug er wesentlich dazu bei, die moderne Mediävistik zu definieren und einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Für mich persönlich zählten seine Schriften zu den prägendsten und inspirierendsten Arbeiten des Fachs. Die Welt hat einen der leidenschaftlichsten Vertreter der Mittelalterforschung verloren.

Hier eine Auswahl von Nachrufen und Würdigungen:

Hiltibold hat sich in der vergangenen Woche mit „gesunder“ Ernährung im Mittelalter, Diätetik und Humoralpathologie beschäftigt:

Auf medievalists.net gab es einen interessanten Aufsatz zum mittelalterlichen Zeitverständnis:

Und wer das nötige Kleingeld übrig hat, findet in Frankreich eine wunderschöne kleine Burg aus dem 13. Jahrhundert zum Verkauf – für gerade mal € 3,2 Mio. Hm, mal abwarten, was die Steuerrückzahlung bringt …

 

Wikinger im ZDF

Angesichts des Titels zeigten meine Fußnägel wieder einmal Tendenzen des Einrollens: „Terra X Große Völker: Die Wikinger„. Arrgh! Die Wikinger waren vieles, aber ein Volk?

Doch um es vorweg zu nehmen: So schlimm, wie befürchtet, war die 45 minütige Doku dann am Ende nicht. Vielleicht lag es an Prof. Rudolf Simek, der als Berater der Sendung fungierte und auch selbst als Experte auftrat. Ließen die ersten Minuten noch befürchten, es würde nur wieder einmal das Klischee von den wilden Barbaren aus dem Norden, den brutalen Plünderern, Schlächtern und Vergewaltigern bemüht, entwickelte sich doch im weiteren Verlauf eine recht ausgewogene und verschiedene Aspekte berücksichtigende Betrachtung. Die nordische Mythologie und Religion sowie die ambivalente Haltung der Skandinavier zum Christentum wurden ebenso thematisiert wie Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen oder Rechtsprechung.
Großen Raum nahmen erwartungsgemäß die Entdeckungsfahrten und Staatsgründungen der Wikinger ein. Dabei hätte ich mir jedoch (wie ganz allgemein bei wichtigen Ereignissen oder Entwicklungen) etwas mehr Chronologie und die Nennung der einen oder anderen Jahreszahl gewünscht. Warum allerdings zum Thema „Normandie“ die gotische Kathedrale von Mont St. Michel das Bild beherrschte, weiß wohl nur die Regisseurin.

(C) ZDF / Nadine Klement

(C) ZDF / Nadine Klement

Natürlich kommt keine Folge von Terra X ohne Spielszenen aus. Diese waren recht manierlich anzusehen, ohne weiteres Einrollen von Zehennägeln oder lautes Zähneknirschen. Natürlich wirkten die wilden Krieger eher ungepflegt, wo doch die Zahl der gefunden Kämme und anderen Utensilien der Körperpflege eher darauf schließen lassen, dass es sich bei den Wikingern um eine Art eitle frühmittelalterliche Dandies gehandelt haben muss.
Fellumhänge und Trinkhörner entsprechen wohl auch eher einer populären Vorstellung als dem aktuellen Forschungsstand, doch dafür wirkten die übrige Bekleidung und Ausstattung hinreichend authentisch. Wünschenswert wäre gewesen, etwas näher auf diese einzugehen, wie etwa auch auf das Handwerk der Wikinger (abgesehen vom Schiffbau). Doch natürlich ist es nicht möglich, in 45 Minuten erschöpfend alle Aspekte einer vergangenen Kultur zu behandeln.

(c) ZDF / xkopp

(c) ZDF / xkopp

Alles in allem war ich also von „Große Völker: Die Wikinger“ recht angenehm überrascht. Kein Meisterwerk zwar, kein revolutionäres Format, keine Sendung, die nun meine Meinung über die Geschichtskompetenz des Zweiten Deutschen Fernsehens grundlegend auf den Kopf gestellt hätte. Aber immerhin mal eine Mittelalterdoku, die meine (inzwischen sehr niedrigen) Erwartungen an Geschichte im Fernsehen nicht völlig enttäuschte – kleine Schritte!
Als wirklich störend, ärgerlich, unsinnig und geradezu dämlich empfand ich lediglich die gelegentlich eingestreuten Cartoons. Nicht nur passten die krakeligen Figuren überhaupt nicht zum übrigen Stil der Dokumentation, sie entsprachen auch mit ihren Hörnerhelmen und sonstigen Klischees genau jenem Bild der Wikinger, gegen das sich der Rest der Sendung doch eigentlich explizit (in Form von Wagners Germanen oder Wiki & die starken Männer) richtete. Sollte das witzig oder ironisch sein? In meinen Augen wirkte es allenfalls lächerlich und infantil, eher auf dem Niveau alberner, billiger Kindersendungen als dem, was diese Folge von Terra X ansonsten zu bieten hatte.

Hier gibt es offizielle Infos und Videoclips zur Sendung.