Fundstücke KW 14

Ausgerechnet am 1. April las ich eine Meldung, die sich leider als wahr herausstellte: In Paris ist im Alter von 90 Jahren der große französische Historiker Jacques Le Goff (*1.1.1924) verstorben.

Jacques Le Goff (1.1.1924-1.4.2014) via medievalists.net

Jacques Le Goff (1.1.1924-1.4.2014) via medievalists.net

Le Goff war einer der bedeutendsten Mediävisten der Gegenwart und Mitherausgeber der Zeitschrift „Annales“. An der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) lehrte er von 1962 bis zu seiner Emeritierung 1977, seit 1972 als Nachfolger von Fernand Braudel.
Auch außerhalb der Universität war Le Goff sehr aktiv. Mit seinen zahlreichen Publikation, Auftritten, Vorträgen etc. trug er wesentlich dazu bei, die moderne Mediävistik zu definieren und einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Für mich persönlich zählten seine Schriften zu den prägendsten und inspirierendsten Arbeiten des Fachs. Die Welt hat einen der leidenschaftlichsten Vertreter der Mittelalterforschung verloren.

Hier eine Auswahl von Nachrufen und Würdigungen:

Hiltibold hat sich in der vergangenen Woche mit „gesunder“ Ernährung im Mittelalter, Diätetik und Humoralpathologie beschäftigt:

Auf medievalists.net gab es einen interessanten Aufsatz zum mittelalterlichen Zeitverständnis:

Und wer das nötige Kleingeld übrig hat, findet in Frankreich eine wunderschöne kleine Burg aus dem 13. Jahrhundert zum Verkauf – für gerade mal € 3,2 Mio. Hm, mal abwarten, was die Steuerrückzahlung bringt …

 

Wikinger im ZDF

Angesichts des Titels zeigten meine Fußnägel wieder einmal Tendenzen des Einrollens: „Terra X Große Völker: Die Wikinger„. Arrgh! Die Wikinger waren vieles, aber ein Volk?

Doch um es vorweg zu nehmen: So schlimm, wie befürchtet, war die 45 minütige Doku dann am Ende nicht. Vielleicht lag es an Prof. Rudolf Simek, der als Berater der Sendung fungierte und auch selbst als Experte auftrat. Ließen die ersten Minuten noch befürchten, es würde nur wieder einmal das Klischee von den wilden Barbaren aus dem Norden, den brutalen Plünderern, Schlächtern und Vergewaltigern bemüht, entwickelte sich doch im weiteren Verlauf eine recht ausgewogene und verschiedene Aspekte berücksichtigende Betrachtung. Die nordische Mythologie und Religion sowie die ambivalente Haltung der Skandinavier zum Christentum wurden ebenso thematisiert wie Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen oder Rechtsprechung.
Großen Raum nahmen erwartungsgemäß die Entdeckungsfahrten und Staatsgründungen der Wikinger ein. Dabei hätte ich mir jedoch (wie ganz allgemein bei wichtigen Ereignissen oder Entwicklungen) etwas mehr Chronologie und die Nennung der einen oder anderen Jahreszahl gewünscht. Warum allerdings zum Thema „Normandie“ die gotische Kathedrale von Mont St. Michel das Bild beherrschte, weiß wohl nur die Regisseurin.

(C) ZDF / Nadine Klement

(C) ZDF / Nadine Klement

Natürlich kommt keine Folge von Terra X ohne Spielszenen aus. Diese waren recht manierlich anzusehen, ohne weiteres Einrollen von Zehennägeln oder lautes Zähneknirschen. Natürlich wirkten die wilden Krieger eher ungepflegt, wo doch die Zahl der gefunden Kämme und anderen Utensilien der Körperpflege eher darauf schließen lassen, dass es sich bei den Wikingern um eine Art eitle frühmittelalterliche Dandies gehandelt haben muss.
Fellumhänge und Trinkhörner entsprechen wohl auch eher einer populären Vorstellung als dem aktuellen Forschungsstand, doch dafür wirkten die übrige Bekleidung und Ausstattung hinreichend authentisch. Wünschenswert wäre gewesen, etwas näher auf diese einzugehen, wie etwa auch auf das Handwerk der Wikinger (abgesehen vom Schiffbau). Doch natürlich ist es nicht möglich, in 45 Minuten erschöpfend alle Aspekte einer vergangenen Kultur zu behandeln.

(c) ZDF / xkopp

(c) ZDF / xkopp

Alles in allem war ich also von „Große Völker: Die Wikinger“ recht angenehm überrascht. Kein Meisterwerk zwar, kein revolutionäres Format, keine Sendung, die nun meine Meinung über die Geschichtskompetenz des Zweiten Deutschen Fernsehens grundlegend auf den Kopf gestellt hätte. Aber immerhin mal eine Mittelalterdoku, die meine (inzwischen sehr niedrigen) Erwartungen an Geschichte im Fernsehen nicht völlig enttäuschte – kleine Schritte!
Als wirklich störend, ärgerlich, unsinnig und geradezu dämlich empfand ich lediglich die gelegentlich eingestreuten Cartoons. Nicht nur passten die krakeligen Figuren überhaupt nicht zum übrigen Stil der Dokumentation, sie entsprachen auch mit ihren Hörnerhelmen und sonstigen Klischees genau jenem Bild der Wikinger, gegen das sich der Rest der Sendung doch eigentlich explizit (in Form von Wagners Germanen oder Wiki & die starken Männer) richtete. Sollte das witzig oder ironisch sein? In meinen Augen wirkte es allenfalls lächerlich und infantil, eher auf dem Niveau alberner, billiger Kindersendungen als dem, was diese Folge von Terra X ansonsten zu bieten hatte.

Hier gibt es offizielle Infos und Videoclips zur Sendung.

 

Fundstücke KW 10

Einem zuverlässigen Bericht des überaus seriösen Magazins Der Postillon zufolge lagert in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin ein bedeutendes historisches Werk über sinnlose Krieg der Vergangenheit, das seit vielen Jahren in Vergessenheit geraten und darüber alles andere als erfreut ist:

In Konstanz wirft das Jubiläum des Konzils (1414-1418) seine Schatten voraus. Darüber berichtet Spiegel Online mit Hinweis auf die geplanten Ausstellungen, Veranstaltungen etc.:

Im British Museum hat derweil die lange und groß angekündigte „Jahrhundertschau“ The Vikings begonnen. Die Presse ist eher unbeeindruckt – eine Übersicht liefert die BBC:

Die Seite des British Museums zur Ausstellung:

Und zu guter Letzt: Selbst das F-Wort ist keine neuzeitliche Errungenschaft, sondern mindestens seit dem frühen 16. Jahrhundert belegt.

"o d fuckin abbot" - Bleistiftnotiz von 1528 in einer Abschrift von "De Officiis"

"o d fuckin abbot" - Bleistiftnotiz von 1528 in einer Abschrift von "De Officiis"

Fundstücke KW 8

Der „Barbarenschatz“ aus dem 5. Jh. und seine Entdeckung durch einen Raubgräber haben in der vergangenen Woche reiches Medienecho erhalten. Auf archaeologik gibt Rainer Schreg eine Presseschau und einen Kommentar, dem man nur zustimmen kann:

Auf „Das Mittelalter – Der Blog“ gibt es einen Beitrag über die Wikinger in Russland:

http://dasmittelalterderblog.com/2014/02/20/die-wikinger-in-russland-wegbereiter-eines-weltreiches/

Und bestimmt war noch viel mehr los im Netz, doch ich war zu beschäftigt, es zu bemerken. Schöne Woche allerseits!

 

Fundstücke KW 7

Am 15. Februar vor 450 Jahren wurde Galileo Galilei geboren. Die SZ fasst in einem kurzen Beitrag seine Konflikte mit der katholischen Kirche zusammen: „Als die Kirche den Menschen das Denken verbieten wollte„.

Auf derStandard.at widmet sich Eric Frey ebenfalls dem „Vater der modernen Wissenschaft“, vor allem aber der Frage, ob das von ihm propagierte „evidenzbasierte und wissenschaftliche Denken“ inzwischen (wieder) auf dem Rückzug ist. Leider geraten dem Autor dabei Begriffe wie „Wissenschaft“, „Forschung“ und „Technik“ ein wenig durcheinander und er muss sich wohl auch den Vorwurf selektiver Wahrnehmung gefallen lassen: Wer hätte gedacht, dass man Galilei sogar zur Legitimation von Gentechnik missbrauchen kann? „Galileos Feinde unter uns„.

Der erste Kopernikaner kam aus Vorarlberg“ (sagt derStandard.at), wurde aber nie so berühmt wie Galileo, musste seine Lehren nicht widerrufen und hatte meines Wissens auch nix mit Genmanipulationen am Hut …

Der hl. Valentin war ein Bischof des 3. Jahrhunderts, der Liebespaare nach christlichem Ritus getraut und dafür den Märtyrertod erlitten haben soll, was ihn zum Patron der Liebenden machte. Zum Valentinstag haben die medievalists eine schöne Sammlung mittelalterlicher Darstellung von LIebespaaren zusammengestellt:

Bei Germersheim in der Pfalz wurde von einem Sondengänger ein „Barbarenschatz“ aus dem 5. Jahrhundert entdeckt – und der Fundort durch die unfachmännische Raubgrabung unwiederbringlich zerstört, so dass hier keine Erkenntnisse mehr gewonnen werden können. Artikel in der Allgemeinen Zeitung.

Und zu guter Letzt hier die Wahrheit über Historiker:

Historians never die …

 

Fundstücke KW 6

Schätze, Schätze, Schätze! Diese Woche hatte das weltweite Netz etliche Goldstücke und Perlen für Geschichts- bzw. Mittelalterinteressierte zu bieten.

Zur Magdalenenflut von 1342, einer europaweiten Flutkatastrophe, hat Martin Bauch im Mittelalterblog einen überaus lesenswerten Beitrag verfasst:

Rainer Schreg hat diesen Post auf Archaeologik gleich kommentiert:

Hiltibold aus Graz – ein überaus emsiger Goldgräber in Sachen „Geschichte im Netz“ – postet immer wieder interessante Audiobeiträge:

Ich greife hier zwei heraus, die mir besonders gut gefallen haben: Zum Ersten ein Beitrag des SWR von Nadja Eckerle über den Englischen Langbogen, das „Maschinengewehr des Mittelalters“ (der etwas dämliche Titel ist ein Zitat und sagt nichts über die Qualität des
Features aus!):

Und ein Beitrag des Bayerischen Rundfunks über die mittelalterliche Ständegesellschaft:

Apropos Schätze: Noch mehr Fundstücke kamen in dieser Woche in einem Keller in Bingerbrück zutage. Es handelt sich um

„Bananenkisten mit mittelalterlichen und neuzeitlichen Funden aus Mainz (Steinzeug mit Bartmannkrügen, lokale manganviolette spätmittelalterliche Ware, bemalte Hafnerware sind auf den Bildern zu erkennen) …“

Ob es sich um Beute aus Raubgrabungen oder um Diebesgut aus Museen handelt, ist bislang noch nicht geklärt. Die Nachricht hat in den Medien einige Wellen geschlagen und eine Diskussion um die personelle und finanzielle Ausstattung der Landesarchäologie und Denkmalpflege (wieder) entfacht.
Rainer Schreg bietet in seinem Blog Archaeologik eine Presseschau:

So, ich gehe jetzt auch in den Keller, wo allerdings keine archäologischen Schätze lagern, sondern Arbeit wartet …

 

Fundstücke KW 5

Vor 1.200 Jahren starb am 28. Januar (möglicherweise) Karl der Große. Das Jubiläum hat auch im Netz einige Spuren hinterlassen. So berichtet z.B. DIE ZEIT über Untersuchungen der (wahrscheinlichen) Gebeine des Herrschers, die den Beinamen „der Große“ zu rechtfertigen scheinen:

Der Mediävist Johannes Fried hat eine Biographie Karls des Großen veröffentlicht. Ebenfalls auf ZEIT Online berichtet er über den Schreibprozess und seine Schwierigkeiten, die allgemeine Problematik historischer Biographien und vieles mehr:

Germanisten der Universität Graz haben mittelalterliche Textquellen auf Hinweise untersucht, wie Lebensmittel haltbar gemacht wurden, und einige dieser Verfahren im Experiment erprobt. Darüber berichtet 3Sat in einem Beitrag der Reihe nano (der hoffentlich länger als nur eine Woche lang auffindbar sein wird …).

Wie hat sich das moderne Englisch aus seinen germanischen Wurzeln entwickelt? Dazu gibt es (via medievalists.net) ein unterhaltsames Video eines Vortrags des Historikers und Linguisten Dr. Phil Uttley:

Und dann ist in dieser Woche noch Maximilian Schell im Alter von 84 Jahren gestorben. Der Schauspieler, Regisseur und Oscar-Preisträger war über Jahrzehnte ein renommierter Bühnen-, Film- und Fernsehdarsteller. Zuletzt präsentierte er im ZDF Sendungen der Reihe „Terra X“ zu historischen Themen in einem von Kerzen und Fackeln erleuchteten Verlies – insgesamt eine eher traurige Angelegenheit. Möge er seinen Frieden finden, und möge das ZDF sein Dahinscheiden nutzen, das Konzept und vielleicht auch die Inhalte dieser Sendung zu überdenken.

 

Fundstücke KW 4

Auch diese Woche bin ich nicht viel dazu gekommen, im Netz Ausschau nach interessanten Neuigkeiten oder Links aus der Welt der Geschichte zu halten. Ein Grund dafür war, dass ich sehr beschäftigt und fleissig war: mit dem Schreiben von Artikeln, einer Übersetzung aus dem Lateinischen und Planung neuer Aufgaben und Angebote für 2014.

Der zweite Grund ist zugleich mein erstes Fundstück für heute. Ja, ich weiß, das hat nichts mit Geschichte oder Mittelalter zu tun, aber es hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich es den Lesern dieses Blogs nicht vorenthalten will:

Auf middle-earth.thehobbit.com kann man Mittelerde erkunden, Aufgaben erfüllen und Spiele spielen. Ich empfehle einen Besuch in Lake Town (Seestadt), wo man sich im Bogenschießen üben kann (und es ist mir ganz egal, ob das kindisch ist!) …

2014 ist ein Jahr mehrerer bedeutender Jubiläen. Den Anfang macht Karl der Große, dessen Todestag sich am 28. Januar zum 1200. Mal jährt. Ihm hat der Schauspieler Christopher Lee (der im Mai 92 Jahre alt wird!) sein zweites Heavy Metal-Album (!) gewidmet. Ich enthalte mich jeglicher Wertung und verweise lediglich auf den Link:

beziehungsweise das Video zum Song „The Bloody Verdict of Verden“:

Und noch ein Video, leider wieder nur auf English: Das dänische Nationalmuseum hat eine virtuelle 3D-Rekonstruktion eines wikingerzeitlichen Hofes bei Tissø produzieren lassen:

Wikingerhof und Kultstätte in Tissø (DK)

Wikingerhof und Kultstätte in Tissø (DK)

Fundstücke KW3

Leider (?) hatte ich diese Woche nicht viel Zeit, im Netz zu surfen. Daher fallen auch die Fundstücke etwas spärlicher aus.

A propos Fundstücke: In England tauchen seit einiger Zeit die Gebeine mittelalterlicher Könige auf. Zuerst Richard III. unter einem Parkplatz, nun möglicherweise Alfred der Große (oder sein Sohn Edward) in einer Kiste:

Auf medievalists.net findet sich ein Video von einer interessanten Debatte (eigentlich eher vier Kurzvorträge) über den Stand der Mediävistik (in England), ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ihren möglichen Nutzen oder ihre Bedeutung für die moderne Gesellschaft, für die Frage nationaler Identität, das Mittelalter in Lehrplänen und im Alltag sowie viele weitere Aspekte. Sehenswert (auf Englisch)!

Außerdem: Lesenswerte „Gedanken zur Reenactmen-Szene“ auf tribur.de:

Und nur zum Spaß: Dennis the Constitutional Peasant aus Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“:

 

Fundstücke KW 2

So, dann will ich mal meinem Versprechen, mehr zu posten, nachkommen und die nächsten Fundstücke der Woche präsentieren.

Den Anfang macht Markus Zwittmeier von tribur.de mit einer dramatischen kleinen Geschichte, die sich Anno 1066 in Tribur zugetragen hat:

Außerdem hat er sich einige Gedanken „Zur Wahrnehmung von Reenactment, living history-Szene und Co.“ gemacht:

(Ich selbst habe hier mal versucht, Begriffe wie reenactment, living history, experimentelle Archäologie, LARP etc. zu definieren.)

HILTIBOLD hat in seinem Blog eine Liste frei verfügbarer pdf-Dokumente zu allen möglichen Themen der Geschichte, zu living history und vielen weiteren Themen zusammengestellt:

Auf arte.tv gibt es eine Dokumentation aus der Reihe „X:enius“ über Guédelon – zwar bekomme ich beim Anblick der „mittelalterlichen“ Klamotten der Moderatoren schon wieder Bauchkrämpfe, aber ansonsten sind die 26 Minuten durchaus sehenswert:

Der Monat ist noch nicht zur Hälfte rum, und dennoch hat Daniel Ossenkop schon zwei lesenswerte Artikel auf „Das Mittelalter – Der Blog“ (DER Blog? Hm …) veröffentlicht:

 

So, das muss für heute reichen. Wer noch nicht hat, kann sich ja noch meine Kritik am Pseudo-Mittelalter-Unfug des ZDF vom Anfang der Woche durchlesen. Inzwischen hat sich mein Blutdruck wieder etwas beruhigt, doch der Nacken schmerzt immer noch vom vielen Kopfschütteln …