„Die Welt des Handwerks um 1500“

Meindl/Zailer (Hgg.): Die Welt des Handwerks um 1500, Bretten 2018.

Meindl/Zailer (Hgg.): Die Welt des Handwerks um 1500, Bretten 2018.

Das Mittelalter gilt gemeinhin als „Goldenes Zeitalter“ des Handwerks. Tatsächlich gab es wohl niemals zuvor oder danach eine derartige Spezialisierung und Diversifizierung handwerklicher Berufe, doch bestanden dabei auch große Unterschiede in Ansehen, Einkommen und wirtschaftlicher Bedeutung.
Auf Mittelaltermärkten, Museumsfesten und ähnlichen Veranstaltugnen finden sich heute zahlreiche Darsteller, die sich mehr oder weniger erfolgreich bemühen, die Arbeit mittelalterlicher Schmiede, Korbflechter, Kerzenzieher, Sarwürker und anderer Handwerker wiederzubeleben. So auch bei einem der traditionsreichsten „mittelalterlichen“ Stadtfeste, dem Peter und Pauls-Fest in Bretten, in dessen Kontext das vorliegende Buch entstand.

Ausführlich gehen die beiden Herausgeber daher auf die Entwiclung der handwerklichen Darstellungen im Rahmen der Veranstaltung von 1980 bis heute ein. Vogt und Schultheiß als obrigkeitliche Aufseher des Handwerks im mittelalterlichen Bretten werden mit zwei kurzen Beiträgen gewürdigt. Ebenfalls recht knapp, aber informativ wird auf die Rolle der Zünfte im Mittelalter eingegangen, bevor die modernen Brettener „Handwerkszünfte“ vorgestellt werden, die heute für die handwerklichen Darbietungen auf dem Peter und Pauls-Fest verantwortlich zeichnen.

Den größten Teil des Sammelbands nehmen Beschreibungen von mehr als 30 mittelaterlichen Handwerksberufen von Besenbinder bis Zeidler ein. Vorrangig werden dabei die typischen Arbeitsschritte, Werkzeuge und Produkte vorgestellt und mit historischen Abbildungen, technischen Zeichnungen und Fotos ihrer Darstellung auf dem Stadtfest illustriert.
Wie die Qualität der Darstellung schwankt dabei auch die Qualität der Beschreibungen. Natürlich ist es praktisch unmöglich, auf gerade einmal 1-6 Seiten ein mittelalterliches Handwerk gründlich und umfassend zu behandeln. Dennoch wünscht man sich zuweilen etwas weitergehende Angaben zu einzelnen Aufgaben oder Arbeitsschritten, etwa beim Schindelmacher, beim Schwertfeger oder beim Töpfer.
Mitunter stellt sich auch die Frage, woher die Autoren ihre Erkenntnisse haben – z.B. dass Töpfer zu den „unehrlichen“ Handwerken gezählt wurden, Nachtwächter keine „bürgerliche Identität“ hatten oder die Gugel eine Filzkappe (und keine Kapuze aus – überwiegend – Wollstoff) gewesen sei. Das Literaturverzeichnis liefert auf solche Fragen leider keine Antworten.

Doch etliche der Beschreibungen sind trotz ihrer Kürze interesssant und kenntnisreich geraten. Das gilt insbesondere für jene Berufe, die in derartigen Darstellungen sonst oft weniger Beachtung finden wie etwa Zeidler, Köhler oder Leiterbauer. Die meisten sind eher unterhaltsam und anekdotisch geschrieben, das Buch erhebt nicht den Anspruch, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aufzubereiten.
Bei den Fotografien darstellender Handwerker sollte man sich nicht von den oft wenig historischen Kostümen täuschen lassen. Viele der Abbildungen zeigen tatsächlich sauber rekonstruierte Werkzeuge und Arbeitsmaterialien sowie -methoden.

Den Abschluss des Werkes bildet ein sehr anschaulicher Exkurs zu Maßen, Zahlen und Gewichten im Mittelalter. Da hier sehr große zeitliche und regionale Unterschiede bestanden, kann eine solcher Beitrag natürlich nur sehr allgemein gehalten sein, er bietet aber einen guten und lesenswerten Einstieg in die Materie.
Zu guter Letzt folgen Abbildungs-, Literatur- und Autorenverzeichnis.

Das Buch wird Menschen, die sich schon länger mit mittelalterlichem Handwerk beschäftigen, kaum neue Erkenntnisse bringen. Es richtet sich eher an Fans des Peter und Pauls-Fests in Bretten, an Leser, die auf unterhaltsame und reich illustrierte Weise etwas zum Thema erfahren möchten, ohne sich mit wissenschaftlichen Details auseinandersetzen zu müssen, sowie vielleicht an Mittelalterfans und Marktbesucher, die mit dem Gedanken spielen, selbst ein historisches Handwerk darzustellen. Sie alle finden in dem von Herbert Meindl und Werner Zailer herausgegebenen Sammelband interesante Informationen und Anregungen, die zu eigener Recherche und weiterführender Beschäftigung mit dem historischen Handwerk im Allgemeinen oder mit einzelnen Berufen führen mögen.

Bretten: Infoverlag/Lindemanns Bibliothek 2018. 200 S., zahl. Abb. ISBN 978-3-96308-018-0. € 19,95.

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