Werner Meyer: Ein Krieg in Bildern und Versen

„Der Schwaben- oder Schweizerkrieg von 1499, geschildert von einem Zeitgenossen“

Meyer: Ein Krieg in Bildern und Versen, Nünnerich Asmus Verlag 2024.

Der sogenannte Schwaben- oder Schweizerkrieg hat in der deutschen Geschichtsschreibung relativ wenige Spuren hinterlassen. Der militärische Konflikt zwischen der Eidgenossenschaft und dem Haus Habsburg sowie seinem wichtigsten Verbündeten, dem Schwäbischen Bund, währte von Januar bis September 1499, hatte jedoch eine jahrzehntelange Vorgeschichte und war eingebettet in ein viel weiter reichendes Ringen um die Vorherrschaft in Europa.
Unter den zahlreichen Quellen, die bereits während der Kampfhandlungen oder kurz danach entstanden, hat die Reimchronik des Nikolaus Schradin lange Zeit wenig Beachtung gefunden – zu gering erschienen ihr literarischer und historiographischer Wert, denn Schradin war nicht selbst Beteiligter oder Augenzeuge, sondern fasste die Erzählungen Dritter in etwas holprige und zuweilen schwerfällige Verse.

Dass es sich bei Schradins Chronik dennoch um „ein wertvolles Zeitzeugnis“ handelt, „das vielerlei Nachrichten über den Krieg und die Alltagskultur des ausgehenden Mittelalters enthält, die nur bei ihm zu finden sind“, möchte der renommierte Schweizer Historiker Werner Meyer mit seiner hier vorliegenden Neuausgabe des Werks beweisen.
In seiner knappen Einführung fasst Meyer zunächst den Konflikt, seine Hintergründe und Ursachen zusammen und gibt einen allgemeinen Überblick zur Kriegführung um 1500. Dem Autor und seinem Werk sind ebenfalls einige Seiten gewidmet, wenngleich über Schradins Leben nicht viel bekannt ist. Er stammte aus dem schwäbischen Reutlingen, zog aber schon in jungen Jahren nach Luzern, arbeitete dort als Kanzleischreiber und betrieb später ein Gasthaus. Möglicherweise stammen seine Informationen über den Krieg von Teilnehmern, die dort einkehrten.
Erstaunlich ist, dass seine Chronik innerhalb von nur 28 Wochen nach dem Ende des Krieges bereits im Druck erschien. Der Text dürfte daher wohl bereits während der Kämpfe entstanden oder zumindest begonnen worden und dann innerhalb kurzer Zeit mit 27 Holzschnitten ausgestattet und gedruckt worden sein.
Bei den Abbildungen lassen sich mindestens zwei Meister unterscheiden. Die künstlerische Qualität ihrer Arbeiten ist eher mittelmäßig zu nennen, allerdings kommt ihnen realienkundlich ein hoher Stellenwert zu. Während die Ortschaften, Gebäude und Landschaften (mit Ausnahme der Stadt Luzern) stilisierend und schematisch dargestellt sind, enthalten die Abbildungen zahlreiche wertvolle Details der spätmittelalterlichen Alltagskultur. Insbesondere die Figuren, ihre Bewaffnung, Rüstung, Kleidung und sonstige Ausstattung sind sehr realitätsnah wiedergegeben.

Die Transkription umfasst 60 Seiten und enthält die Bildseiten als verkleinerte Randillustrationen. Alle Holzschnitte sind im Anschluss noch einmal ganzseitig abgedruckt und mit Anmerkungen versehen.
Schradins Text ist recht verständlich zu lesen, Fußnoten erklären zudem Begriffe, Personen, Anspielungen und Querverweise. Eine um Neutralität bemühte, faktenbasierte Geschichtsschreibung ist natürlich nicht zu erwarten, der Autor berichtet wie erwähnt überwiegend vom Hörensagen und steht dabei fest auf Seiten der Eidgenossen. Häufig fehlen durchaus nicht unwichtige Informationen zum Verlauf oder Ausgang bedeutender Schlachten und zahlreiche weitere Details zum Kriegsverlauf.
Dafür beschreibt Schradin diverse „übernatürliche Erscheinungen“ und schreibt verschiedene Geschehnisse göttlichem Eingreifen zu. Überhaupt spielen Frömmigkeit und (Aber-)Glaube in seinen Schilderungen eine wichtige Rolle und seine Ausführungen bieten einen guten Einblick in das religiöse und kriegerische Brauchtum der Schweizer im Spätmittelalter.

Eine Quelle ist immer nur so gut wie die Fragen, die man an sie stellt. Wer also einen realistischen Tatsachenbericht zum Schwabenkrieg erwartet, wird enttäuscht werden. Um jedoch einen Einblick in die zeitgenössische Wahrnehmung und Bewertung kriegerischer und anderer Ereignisse um 1500 zu gewinnen, die militärische und zivile Sachkultur der Zeit sowie die Mentalität der Beteiligten zu gewinnen, ist Meyers Neuausgabe von Schradins Werk durchaus zu empfehlen.
Mit gerade einmal € 20,- für den 160 Seiten starken, illustrierten und gebundenen Band muss dieser geradezu als Schnäppchen gelten und erhält auch deshalb eine absolute Kaufempfehlung!

Nünnerich-Asmus Verlag, Oppenheim am Rhein 2024. Geb., 160 S., zahlr. Abb. ISBN 978-3-96176-283-5. € 20,-.

Erhältlich bei shop.HistoFakt.de.

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