Der Brite Spencer Gavin Smith möchte eine Dissertation zum Thema mittelalterliche Parks und Gärten verfassen. Zur Finanzierung der Arbeit vertraut er auf Crowdfunding, also freiwillige Spenden von Leuten wie Du und ich, die das Projekt unterstützenswert finden und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Geld dafür locker machen. Auf www.gofundme.com hat er eine Seite eingerichtet, auf der mögliche Unterstützer Informationen zu seinem Vorhaben abrufen und ihren Beitrag zu seiner Finanzierung leisten können (außerdem betreibt er ein Blog).
2.000 Britische Pfund hofft der Historiker auf diese Weise zu gewinnen – eine moderate Summe, wenn man bedenkt, in welcher Höhe wissenschaftliche Dissertationen normalerweise durch Stipendien gefördert werden. Aber wie lange noch? Im Vergleich zu naturwissenschaftlicher Forschung führen die Geisteswissenschaften ohnehin ein Schattendasein. Die öffentlichen Mittel, die etwa jedes Jahr in die Geschichtsforschung fließen, dürften wahrscheinlich nicht einmal ausreichen, um einen einzelnen Forschungssatelliten ins All zu schießen oder einen Teilchenbeschleuniger länger als einige Stunden oder Tage in Betrieb zu halten. (Zugegeben, ich habe das jetzt nicht recherchiert oder ausgerechnet!)
Doch selbst die bescheidenen Mittel, die etwa der Erforschung unserer eigenen Vergangenheit zur Verfügung stehen, sind inzwischen beständiger Erosion ausgesetzt. Nordrhein-Westfalen hat den Anfang gemacht und beschlossen, die Förderung von Archäologie und Denkmalpflege bis 2015 auf Null zu reduzieren. Ungeachtet anderslautender Beteuerungen dürften ähnliche Erwägungen in anderen Bundesländern längst im Gange sein.
Spencer Gavin Smith ist längst nicht der Einzige. Auf Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter oder Indiegogo („Finanziere, was Dir wichtig ist!“) buhlen vermehrt junge Geisteswissenschaftler um private Finanzierung ihrer Forschungsvorhaben. Doch was bedeutet das – ist diese Bewegung Ausdruck und Folge einer Krise in der Finanzierung geisteswissenschaftlicher Forschung? Oder ein innovativer Ansatz, um die Öffentlichkeit stärker in die Produktion und Ergebnisse geisteswissenschaftlicher Forschung zu integrieren? Kann so ein neues Interesse an den Humanities generiert werden oder leistet ein solches Vorgehen dem schleichenden Rückzug der öffentlichen Hand aus der Finanzierung geisteswissenschaftlicher Arbeiten unnötig Vorschub? Und besteht dann nicht die Gefahr, dass nur noch gefördert wird, was gerade en vogue ist und dem Geschmack der Massen entspricht?
Sollten Arbeiten in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften nicht der Allgemeinheit dienen, der Allgemeinheit zur Verfügung stehen und daher von der Allgemeinheit, sprich: der öffentlichen Hand finanziert werden? Oder ist es nur fair und richtig, der Allgemeinheit die Wahl zu lassen, welche Arbeiten sie mit welchem Betrag fördern möchte?
Zugegeben: Ich habe zu diesem Zeitpunkt auch keine Antworten. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten …