HistoFakt und Corona

Als ich 2006 mit Gründung von HistoFakt. Historische Dienstleistungen den Schritt in die Selbständigkeit wagte, lag der Fokus noch ganz auf der Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, Verlagen, Redaktionen, Autorinnen und Autoren, Archiven, Museen etc., etwa durch Recherchen, Transkription und Übersetzung historischer Quellen, Lektorat, Übersetzung moderner Fachliteratur oder das Verfassen von Aufsätzen und Artikeln als Auftragsarbeiten.
Diese Dienstleistungen bilden nach wie vor einen Bestandteil meines Angebots. Doch seit einigen Jahren ist daneben der Bereich „Geschichtserlebnisse“ immer wichtiger geworden. Die Nachfrage nach Erlebnisprogrammen für Schulklassen und andere Kinder- und Jugendgruppen, nach Kursen, Vorführungen mittelalterlicher Praktiken und MItmachaktionen z.B. bei Museumsfesten hat erheblich zugenommen und war alleine schon fast nicht mehr zu bewältigen. Erstmals hatte ich daher in diesem Jahr die Absicht, für die Saison von April bis Oktober Honorarkräfte zu beschäftigen.

Dazu wird es nun leider nicht kommen. Die mit Wirkung zum 18. März beschlossenen Zwangsmaßnahmen der Landesregierung Baden-Württemberg zur Eindämmung der Corona-Epidemie haben zur Folge, dass sämtliche Museen und anderen Veranstaltungsorte bis voraussichtlich mindestens 15. Juni 2020 geschlossen bleiben. Zahlreiche Veranstaltungen, die ein Angebot von HistoFakt gebucht hatten, wurden abgesagt, andere noch zu erwartende Buchungen werden nun nicht zustande kommen. Die Kurse müssen bis einschließlich zum genannten Datum ausfallen.

Für mich bedeutet das einen erheblichen Umsatzverlust. Rund 2,5 Monate der Saison von April bis Oktober fallen einfach komplett weg, und damit auch etwa ein Drittel des zu erwartenden Einkommens. Kosten für Miete, Sozialabgaben, Versicherungen u.ä. laufen unterdessen selbstverständlich unvermindert weiter. Da von November bis März nur sehr wenige Aktivitäten angeboten werden können bzw. nachgefragt werden, können über den Winter kaum Rücklagen gebildet oder die Verulste später im Jahr ausgeglichen werden.
Ähnlich wie mir geht es unzähligen freiberuflichen Kulturschaffenden, Künstlern und DIenstleistern. Wir alle hoffen nun auf die Solidarität unserer Auftraggeber und Kunden, und dass stornierte Buchungen und ausgefallene Aufträge nach Ende des Zwangsmaßnahmen nachgeholt werden.
Aber falls von Bundes- und Landesregierungen keine Programme zur schnellen, unbürokratischen finanziellen Unterstützung von Freiberuflern aufgelegt werden, wird diese Krise zahlreiche Existenzen vernichten – möglicherweise auch meine.

Ich habe keine Angst wegen des Corona-Virus‘. Durch einfache Maßnahmen – vor allem Vermeidung menschlicher Kontakte und regelmäßiges, gründliches Händewaschen – sollte es möglich sein, eine Ansteckung zu vermeiden, und da ich nicht zu einer Risikogruppe gehöre, sollte für mich gegebenenfalls auch eine Infektion relativ harmlos verlaufen.
Große Sorgen mache ich mir aber um die wirtschaftlichen Folgen der Krise. Momentan ist für mich überhaupt nicht absehbar, ob und wie ich die genannten Einkommensverluste auffangen kann, und sollten die bisherigen Maßnahmen noch verschärft oder bis über den 15. Juni hinaus verlängert werden, dürfte dies das Ende meiner nunmehr 14 Jahre währenden, bislang recht erfolgreichen Selbständigkeit bedeuten.

Die einzige positive Nachricht in der gegenwärtigen Situation: Ich habe jetzt viel Zeit und verbringe sie ohnehin zuhause vor dem Rechner. Daher habe ich jede Menge Kapazitäten, um z.B. historische Handschriften zu entziffern und zu übersetzen oder Artikel zu verfassen.
Sollten Sie also Bedarf an meinen Dienstleistungen haben, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, entsprechende Aufträge zu erteilen und damit auch noch ein gutes Werk zu tun, indem Sie einen Beitrag zum Fortbestand von HistoFakt leisten!

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund, bleiben Sie daheim, waschen Sie sich regelmäßig die Hände und unterstützen Sie freiberufliche Kulturschaffende wie mich, sofern Sie können.

Herzlichst,
Jan H. Sachers M.A.

P.S.: Der Online-Shop läuft bislang glücklicherweise ohne größere Einschränkungen weiter. Versand erfolgt allerdings bis auf Weiteres nur noch montags und Donnerstags.

 

Nachruf auf Terry Jones

Terry Jones (1.2.1942-21.2.2020)

Terry Jones (1.2.1942-21.2.2020)

Als einer der Mitbegründer der englischen Comedy-Truppe Monty Python war der gebürtige Waliser Terry Jones (*1. Februar 1942) beteiligt an Werken wie „Die Ritter der Kokosnuss„, „Das Leben des Brian“ oder „Der Sinn des Lebens„.
Weniger bekannt ist, dass der Regiseur, Drehbuchautor und Schauspieler in Oxford Geschichte und Englisch studiert hatte. Sein besonderes Interesse galt dem Mittelalter, das er zu Unrecht in einem zu schlechten Licht porträtiert sah:

„Ex-Monty Python Terry Jones hat was gegen die Renaissance. Denn die Humanisten zementierten das Bild des Mittelalters als ein dunkles, abergläubisches Zeitalter, in dem die Menschen zu leiden hatten“

heißt es in einer Pressemitteilung der BBC. Für den britischen Sender schrieb und präsentierte er 1995 eine vierteilige Reihe über die Geschichte der Kreuzzüge, außerdem war er Mitautor eines Sachbuchs zum Thema. Schon früher hatte er Bücher zu mittelalterlichen Themen veröffentlicht, zuerst 1980 „Chaucer’s Knight: The Portrait of a Medieval Mercenary“, eine alternative Betrachtung der Erzählung des Ritters in Geoffrey Chaucers „Canterbury Tales“.

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Fundstücke KW 5

Die Schlacht von Clontarf 1014 scheint doch ein Kampf der Iren gegen die „Wikinger“ gewesen zu sein, und kein Konflikt zwischen irischen Parteien. Das wollen Wissenschaftler von der Coventry University mit Hilfe der Netzwerkanalyse herausgefunden haben, heißt es beim Online-Dienst Scinexx.

Mindestens 264 WIkinger wurden im 9. Jahrhundert in einem Massengrab im englischen Repton verscharrt, wie Spektrum der Wissenschaft online berichtet.

In Attendorn (Kreis Olpe, NRW) sind bei Bauarbeiten Fundamente von zwei Gebäuden des 15.-16. Jahrhunderts zum Vorschein gekommen, meldet archaeologie-online.de.

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Fundstücke KW 9

Im Alamannenmuseum Ellwangen fanden zum zweiten Mal die Tage der lebendigen Geschichte statt, worüber ostalb.net berichtet.

damals.de schreibt über die Untersuchung der Gewänder Heinrichs II. und seiner Frau Kunigunde in Bamberg.

Hiltibold erzählt die „grausliche Geschichte vom Blinden und dem Herrn von Châteauroux“.

kurz!-Geschichte widmet sich der Schädelchirurgie im Mittelalter.

Sensation! (Ohne den Superlativ kommt heutzutage keine Meldung aus der Archäologie mehr aus!)
In Innsbruck wurde bei Grabungsarbeiten eine mittelalterliche Brücke entdeckt, melden (u.a.) die Tiroler Tageszeitung, der ORF und derstandard.at.

Archäologie online schrieb diese Woche über den Würzburger Geschichtsprofessor Rainer Leng, der mit Online-Seminaren, Kurzvideos und anderen multimedialen Methoden die Geschichte des Mittelalters einem möglichst breiten Publikum auf spannende Weise näher zu bringen versucht.
Die Beiträge auf seinem YouTube-Kanal sind kurz, informativ, anregend und absolut zu empfehlen, wie z.B. diese hier zum Begriff des Mittelalters:

Fundstücke KW 8

Das bronzezeitliche Salzbergwerk in Hallstadt (Oberösterreich) ist ein faszinierender archäologischer Fundplatz. Vor 13 Jahren wurde dort die älteste Holzstiege Europas entdeckt, die nun nach langwierigen und aufwändigen Untersuchungs- und Konservierungsmaßnahmen an ihren Fundort zurückkehrt, wie derstandard.at berichtet.
Die Holzstiege wird ein zentrales Schaustück im neuen „Bronzezeit-Kino“ werden, das am 29. Mai eröffnet werden soll, und hat sogar ein eigenes „Stiegen-Blog“.

Vor der Küste Israels entdeckten Taucher durch Zufall einen gewaltigen Schatz von Goldmünzen aus der Zeit der Fatimiden-Dynastie. Zahlreiche Medien fassten die Fakten zusammen, u.a. Spiegel Online und derstandard.at. Die Süddeutsche Online bietet sogar ein Video.

Hiltibold ging diese Woche der Frage nach, wo und wie wohl im Frühmittelalter adelige Besucher eines Klosters verlöstigt wurden.

Die Reiß-Engelhorn-Museen in Mannheim zeigen seit diesem Wochenende die Ausstellung „Wilde Völker an Rhein und Neckar: Franken im frühen Mittelalter„. Darüber berichten die Fränkischen Nachrichten.

In eigener Sache: Wer ist eigentlich der Typ, der hier immer schreibt? Für die Fränkischen Nachrichten hat Redakteur Konrad Bülow ein Porträt meiner Person verfasst. Eine kleine Korrektur ist allerdings angebracht: Ein Kettenhemd besitze ich (leider) nicht …

Den wunderbaren Luttrell Psalter-Film hatte ich hier ja schon vor längerer Zeit beschrieben und verlinkt. Diese Woche stieß ich auf einen älteren Blog-Beitrag, der etwas zu den Hintergründen der Rekonstruktion der Bekleidung aus dem 14. Jahrhundert verrät.

Zwei Frauen spinnen Wolle. Luttrell Psalter, um 1325-40 (London, British Library, Add. MS 42130).

Zwei Frauen spinnen Wolle. Luttrell Psalter, um 1325-40 (London, British Library, Add. MS 42130).

Zwei Frauen spinnen Wolle. (c) Crow's Eye Costumes.

Zwei Frauen spinnen Wolle. (c) Crow's Eye Costumes.

Fundstücke KW 7

Der vergangene Woche verlinkte Leidensbericht einer promovierten Historikerin auf Jobsuche (taz) hat in den sozialen Medien rege Diskussionen ausgelöst. Sind Geisteswissenschaftler zu verwöhnt und unflexibel, um sich auf einen veränderten Arbeitsmarkt einzustellen? Ist die Gesellschaft verpfilchtet, qualifizierte Stellen für Altorientalisten, Byzantinisten und andere „Exoten“ bereitzuhalten?
Jedenfalls sind Berufsaussichten und Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler derzeit ein Thema für Medien und (hoffentlich) Politik. „Ins Prekariat mit Doktorgrad“ formuliert Anant Argawala das Problem in der ZEIT.
Dazu passt auch die Meldung im Spiegel: „Museen mogeln beim Mindestlohn“ – Qualifizierte Absolventen werden mit Azubi-Gehältern abgespeist (an Bewerbern herrscht dennoch kein Mangel). Aber wie kann die Politik ernsthaft erwarten, dass sich Etatkürzungen bzw. -streichungen mit der Einführung eines Mindestlohns vereinbaren lassen?
„Bessere Beschäftigungsbedingungen und planbare Perspektiven“ für (Nachwuchs-)Wissenschaftler fordert eine Petition auf openpetition.de.

Passend zum Valentinstag meldet derstandard.at den Fund eines fast 6.000 Jahre alten Paares, das in inninger Umarmung bestattet worden war.

Noch einmal derstandard.at: Ein 535 Jahre alter Märtyrerschädel im italienischen Otranto weist mehrere kreisrunde Löcher auf, die nicht von Trepanationen stammen. Sondern? „Perfekte kreisrunde Bohrlöcher gehen auf eine makabre medizinische Praxis zurück„.

In Worms stießen Archäologen bei der Suche nach römischen Fundamenten auf Überreste der alten Dombauhütte – allerdings wohl nicht jener aus dem Mittelalter, wie der Artikel auf t-online.de nahe zu legen scheint, sondern jener der Domsanierung um 1900, wie Johannes Götzen in der Wormser Zeitung klarstellt.

Außerdem noch ein interessanter Artikel auf www.burgerbe.de zum „Burgenbau der Normannen in England„.

Und das Bild der Woche, natürlich passend zum Valentinstag (via discarding images):

René d'Anjou, Livre du Cuer d'amours espris, France ca. 1480-1485 (BnF, Français 24399, fol. 121r)

René d'Anjou, Livre du Cuer d'amours espris, France ca. 1480-1485 (BnF, Français 24399, fol. 121r)

Fundstücke KW 27

Hans-Ulrich Wehler war ohne Frage einer der profiliertesten, bekanntesten und streitbarsten Historiker Deutschlands. Durch die kahlen Gänge der Universität Bielefeld wehte auch noch zu meiner Studienzeit sein Geist, wenngleich er da selbst bereits emeritiert war. An der von ihm mitbegründete kritischen Sozialgeschichte der „Bielefelder Schule“ hält man dort noch immer gerne fest, wenngleich ihre Methoden und Ansichten inzwischen bereits etwas verstaubt, um nicht zu sagen: vermodert müffeln. Aber das ist natürlich nicht dem Manne anzulasten, der sie vor 40 Jahren als damals zeitgemäße Form der Geschichtsschreibung mit ins Leben gerufen und wesentlich geprägt hat.
Am Samstag, den 5. Juli 2014 ist Hans-Ulrich Wehler im Alter von 82 Jahren in Bielefeld verstorben: Nachruf auf Spiegel Online.

Am Wolfgangsee wurden 2009 die Überreste einer Pilgerherberge aus dem 17. Jahrhundert entdeckt. Die Ausgrabungen, Untersuchungen, Vermessungen mit Hilfe von Bodenradar etc. dienten nun als Grundlage für die dreidimensionale virtuelle Rekonstruktion der Unterkunft, berichtet derstandard.at.
Hier gibt es weitere Informationen und Bilder des Forschungsprojekts: „Auf den Spuren des heiligen Wolfgang„.

Aus einem Götzen wird ein Heiliger, aus einem heidnischen Heiligtum eine Kirche: So geschehen im 10. Jahrhundert in Harsefeld bei Stade, wie Angelika Franz auf Spiegel Online berichtet.

Wunderbar passend zum Thema eines Artikels, an dem ich gerade arbeite, verlinkt Hiltibold aus Graz den Aufsatz Morten Hegewisch: Lampen im Barbaricum. Ein Beitrag zur Beleuchtung in germanischen Siedlungen, in: Tanya Armbruester/Morten Hegewisch (Hgg.), Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte der iberischen Halbinsel und Mitteleuropas (Studien zur Archäologie Europas 11), Bonn 2010, S. 193-228. (Via academia.edu, Download (pdf) nach Anmeldung.)

Außerdem hat Hiltibold wieder interessante Podcasts und Audiofiles gesammelt.

 

Fundstücke KW 14

Ausgerechnet am 1. April las ich eine Meldung, die sich leider als wahr herausstellte: In Paris ist im Alter von 90 Jahren der große französische Historiker Jacques Le Goff (*1.1.1924) verstorben.

Jacques Le Goff (1.1.1924-1.4.2014) via medievalists.net

Jacques Le Goff (1.1.1924-1.4.2014) via medievalists.net

Le Goff war einer der bedeutendsten Mediävisten der Gegenwart und Mitherausgeber der Zeitschrift „Annales“. An der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) lehrte er von 1962 bis zu seiner Emeritierung 1977, seit 1972 als Nachfolger von Fernand Braudel.
Auch außerhalb der Universität war Le Goff sehr aktiv. Mit seinen zahlreichen Publikation, Auftritten, Vorträgen etc. trug er wesentlich dazu bei, die moderne Mediävistik zu definieren und einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Für mich persönlich zählten seine Schriften zu den prägendsten und inspirierendsten Arbeiten des Fachs. Die Welt hat einen der leidenschaftlichsten Vertreter der Mittelalterforschung verloren.

Hier eine Auswahl von Nachrufen und Würdigungen:

Hiltibold hat sich in der vergangenen Woche mit „gesunder“ Ernährung im Mittelalter, Diätetik und Humoralpathologie beschäftigt:

Auf medievalists.net gab es einen interessanten Aufsatz zum mittelalterlichen Zeitverständnis:

Und wer das nötige Kleingeld übrig hat, findet in Frankreich eine wunderschöne kleine Burg aus dem 13. Jahrhundert zum Verkauf – für gerade mal € 3,2 Mio. Hm, mal abwarten, was die Steuerrückzahlung bringt …

 

Kapitalistenschwein!

Heute morgen wollte ich Flyer für die von mir angebotenen Einführungskurse intuitives Bogenschießen im örtlichen Rathaus auslegen. Das wurde mir verweigert mit dem Hinweis, dass es sich um eine „kommerzielle Veranstaltung“ handele. Ja, und?

Natürlich verlange ich Geld dafür, wenn ich meine Zeit, mein Wissen, meine Erfahrung und nicht zuletzt meine Bögen, Pfeile, Zielscheiben etc. zur Verfügung stelle, um anderen Menschen das Bogenschießen beizubringen. So wie die Unternehmen, deren Flyer und Broschüren in der Eingangshalle des „Bürgerbüros“ ganz problemlos präsentiert werden, Geld dafür verlangen, dass sie Reitstunden oder Fahrradausflüge anbieten, Ferienwohnungen oder -zimmer vermieten, Tiere zur Schau stellen oder ähnliches. So wie die dort werbenden Museen, Tierparks, Tropfsteinhöhlen, Ölmühlen und anderen Institutionen ganz selbstverständlich Eintritt kassieren.

Ähnliches habe ich schon öfter erlebt, etwa wenn ich Informationen über meine Dienstleistungen (Transkription alter Handschriften, Übersetzungen, Lektorat etc.) in Archiven oder Bibliotheken auslegen wollte. Stets wurde mir vorgeworfen, „kommerziell“ zu sein – eine Argumentation, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Anstatt mich in einer öffentlich-rechtlichen Institution oder als Arbeitsloser vom Steuerzahler aushalten zu lassen, versuche ich, meinen Lebensunterhalt als Freiberufler zu bestreiten. Soll ich mich dafür etwa schämen?

Historian at work!

Historian at work!

Ich setze meine Arbeitszeit, meine über viele Jahre und mit nicht geringem zeitlichem wie finanziellem Aufwand erworbenen Kenntnisse sowie meine Erfahrung dazu ein, Dienstleistungen für Andere – Unternehmen, Institutionen, Privatpersonen – zu erbringen. Dafür erwarte ich eine Gegenleistung in Form einer angemessenen Bezahlung, wie das jeder Automechaniker, Friseur, Bäcker, Dachdecker, Schreiner, Rechtsanwalt, Künstler oder Steuerberater tut.

Immer wieder erhalte ich Anfragen, ob ich „mal eben“ eine alte Urkunde entziffern, Auskünfte zu historischen Berufsbezeichnungen erteilen oder gar einen Vortrag halten könne – und ernte erstaunte bis empörte Reaktionen, wenn ich darauf hinweise, dass diese Tätigkeiten mit Aufwand verbunden und daher leider nicht umsonst zu haben sind. Ich frage mich, ob die Automechaniker, Friseure, Bäcker, Dachdecker, Schreiner, Rechtsanwälte, Künstler und Steuerberater mit ähnlichen Situationen konfrontiert werden. Wird denen auch vorgeworfen, „kommerziell“ zu sein?

Wahrscheinlich nicht. Doch worin liegt der Unterschied? Warum erscheint es ganz selbstverständlich, für die einen Leistungen Geld zu verlangen, während andere Anbieter ihre Dienste gefälligst kostenlos, aus Spaß an der Freude zur Verfügung stellen sollen? Hat es etwas damit zu tun, dass freischaffende Historiker (oder ganz allgemein freiberufliche Kulturwissenschaftler) noch immer als Exoten gelten? Oder eher damit, dass sich der Kulturbetrieb in Deutschland nun einmal größtenteils fest in der Hand öffentlich-rechtlich besoldeter Angestellter befindet?

Natürlich habe ich diese Existenz selbst gewählt, natürlich bin ich gerne selbständig, natürlich macht mir meine Arbeit Spaß – sonst würde ich mir das bestimmt nicht antun! Doch vom Spaß allein kann man nicht leben. Es gibt keine höhere Macht, die mir ein monatliches Grundgehalt bezahlt, damit ich auf Anfrage „mal eben“ kostenlos alte Urkunden entziffern, Auskünfte erteilen oder Vorträge halten kann. Wie schön, wenn es so wäre!

Stattdessen habe ich, wie jeder andere Selbständige auch, Betriebskosten und muss auf meine Einkünfte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Steuern, die nebenbei bemerkt auch der Gemeinde zugute kommen, in der ich lebe, und die sich weigert, meine Arbeit durch die simple Auslage von Flyern zu unterstützen, da es sich um ein „kommerzielles“ Angebot handele.

Wie schon gesagt: Ich kann diese Argumentation beim besten Willen nicht nachvollziehen!