Fundstücke KW 1

Neues Jahr, neue Meldungen 🙂

Wer war noch gleich Heinrich VII.? Ich muss gestehen, so auf Anhieb konnte ich auch keine Regierungsjahre oder besonderen Leistungen dieses deutschen Königs (1308-1312) und späteren Kaisers (1312-1313) aus dem Hause Luxemburg nennen. Er starb 1313, und 700 Jahre später wurde sein Grab im Dom von Pisa für Untersuchungen geöffnet, wobei einige erstaunliche Funde zutage traten, wie Martin Bauch im Mittelalterblog berichtet.

Die Klimaerwärmung wird wohl bald dafür sorgen, dass einige Inselkulturen für immer im Meer versinken. Andererseits sorgt sie aber auch dafür, dass Zeugnisse längst vergangener Kulturen wieder zum Vorschein kommen: Der „Gefrierschrank der Vergangenheit“ taut langsam ab (Beitrag von Hubert Filser auf SZ Online).

Bei den Kelten aßen Männer – insbesonders höhergestellte – mehr Fleisch als Frauen. Das klingt zwar weder besonders überraschend noch ungewöhnlich, war dem Standard aber dennoch eine Schlagzeile wert. Der Rest des Beitrags hat immerhin noch einige interessante Fakten zu den Ausgrabungen im schweizer Kanton Bern zu bieten.

Noch einmal Archäolgie: Auf Spiegel Online fasst Angelika Franz die Geschichte der Bibel-Archäologie im Heiligen Land zusammen.

Bereits am 21. Dezember veröffentlichte Daniel Ossenkop M.A. auf „Das Mittelalter – Der Blog“ einen neuen Beitrag über die Entstehung und Bedeutung des europäischen Rittertums.

Feuerwerk zu Silvester ist teuer, albern und unnötig? Nicht, wenn man es macht wie Thrand und Eldgrim. Die beiden Reenactor nutzten den Jahreswechsel, um eine Theorie zu überprüfen, nach der es sich bei bestimmten in der Biblia Porta (Bibliothèque Cantonale et Universitaire de Lausanne, U 964, um 1225-1250) und anderen mittelalterlichen Abbildungen dargestellten Objekten um frühe Handgranaten handeln soll.
Das Experiment wurde ursprünglich durch einen Beitrag von Roland Warzecha alias Dimicator auf Facebook inspiriert, der sich dabei auf Forschungen Wsewolods von Arendt aus den 1930er Jahren berief.

Wie zu sehen ist, verliefen die Tests wenig erfolgreich. Dennoch ist es der richtige Ansatz, derartige Behauptungen mit Hilfe praktischer Experimente zu überprüfen.

 

Fundstücke KW 44

Im Mai 2006 habe ich mich als Historiker selbständig gemacht – zugegebenermaßen nicht ganz freiwillig. Schon damals waren die Berufs- und Karriereaussichten an deutschen Universitäten nicht sehr verlockend, und die Situation hat sich seither nicht gebessert. Eher im Gegenteil: War damals die Aussicht auf eine unüberschaubare und potentiell unendliche Abfolge befristeter Verträge die Regel, so sorgt deren zeitliche Befristung nun dafür, dass junge Forscher nach sechs Jahren praktisch vor dem Nichts stehen können, denn Professorenstellen sind rar und im Mittelbau wird fleißig gekürzt, anstatt neue Stellen zu schaffen.
Was die Biologin Antje Fischer in der Zeit erzählt, gilt daher leider so ähnlich auch in den Geschichts- und anderen Wissenschaften: Wo sind die festen Stellen?

In Hamburg wurde diese Woche die große Ausstellung „Mythos Hammaborg“ über die karolingischen Anfänge der späteren Hansestadt eröffnet. Darüber berichtet u.a. T-Online. Die offizielle Seite des Archäologischen Museums Hamburg (AMH): http://mythos-hammaburg.de/

Der Streit um den Goldschatz von Bernstorf geht weiter, wie die SZ berichtet: Ärger unter Archäologen.

A propos Ärger: Bei Erwähnung des „Campus Galli“ erleiden zahlreiche Historiker, living history-Darsteller, Blogger und Steuerzahler inzwischen gefährlichen akuten Bluthochdruck. Nachdem die erwarteten Besucherzahlen von Jahr zu Jahr nach unten korrigiert wurden, gibt man sich nach der zweiten Saison nun mit 30.000 (statt erhofften 300.000 …) zufrieden und auch damit, dass das Projekt wohl nicht wie ursprünglich behauptet nach spätestens vier Jahren finanziell autark sein wird, sondern noch auf Jahre hinaus öffentliche Gelder in MIllionenhöhe verschlingen wird.
Warum das alles völlig OK ist, man das im Vorfeld alles gar nicht wissen konnte und die anfangs angegebenen Zahlen ohnehin frei erfunden waren, das erklärt auf SWR4 ein gewisser Roland Heck, der offenkundig so berühmt und sachkundig zu sein scheint, dass man ihn wohl nicht weiter vorstellen muss …: „Arbeiten bei Campus Galli„.

(Un-) Mittelalterliche Küche

Das Thema „Ernährung im Mittelalter“ weist noch immer etliche Lücken, Forschungsdesiderate und auch Uneinigkeiten unter Historikern und Archäologen auf. Deutet z.B. die geringe Zahl von im Umfeld mittelalterlicher (Adels-)Burgen gefundener Wildknochen darauf hin, dass die Jagd für die Ernährung keine große Rolle gespielt hat? Oder ist sie dadurch zu erklären, dass die erlegten Tiere an Ort und Stelle aufgebrochen wurden, die Knochen also im Wald oder auf dem Feld verblieben und nur das Fleisch in die heimische Küche geschafft wurde? (Vieles spricht für letztere These.)
Auch zahlreiche andere Aspekte des Themas bieten reichlich Möglichkeiten zu kritischer Quellenarbeit, zu Makro- und Mikrostudien oder auch zu praktischer Erprobung, Rekonstruktion und experimenteller Archäologie.

Festmahl Wilhelms des Eroberers auf dem Teppich von Bayeux (um 1070).

Festmahl Wilhelms des Eroberers auf dem Teppich von Bayeux (um 1070).

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Fundstücke KW 5

Vor 1.200 Jahren starb am 28. Januar (möglicherweise) Karl der Große. Das Jubiläum hat auch im Netz einige Spuren hinterlassen. So berichtet z.B. DIE ZEIT über Untersuchungen der (wahrscheinlichen) Gebeine des Herrschers, die den Beinamen „der Große“ zu rechtfertigen scheinen:

Der Mediävist Johannes Fried hat eine Biographie Karls des Großen veröffentlicht. Ebenfalls auf ZEIT Online berichtet er über den Schreibprozess und seine Schwierigkeiten, die allgemeine Problematik historischer Biographien und vieles mehr:

Germanisten der Universität Graz haben mittelalterliche Textquellen auf Hinweise untersucht, wie Lebensmittel haltbar gemacht wurden, und einige dieser Verfahren im Experiment erprobt. Darüber berichtet 3Sat in einem Beitrag der Reihe nano (der hoffentlich länger als nur eine Woche lang auffindbar sein wird …).

Wie hat sich das moderne Englisch aus seinen germanischen Wurzeln entwickelt? Dazu gibt es (via medievalists.net) ein unterhaltsames Video eines Vortrags des Historikers und Linguisten Dr. Phil Uttley:

Und dann ist in dieser Woche noch Maximilian Schell im Alter von 84 Jahren gestorben. Der Schauspieler, Regisseur und Oscar-Preisträger war über Jahrzehnte ein renommierter Bühnen-, Film- und Fernsehdarsteller. Zuletzt präsentierte er im ZDF Sendungen der Reihe „Terra X“ zu historischen Themen in einem von Kerzen und Fackeln erleuchteten Verlies – insgesamt eine eher traurige Angelegenheit. Möge er seinen Frieden finden, und möge das ZDF sein Dahinscheiden nutzen, das Konzept und vielleicht auch die Inhalte dieser Sendung zu überdenken.

 

Fundstücke KW 1

Ein frohes neues Jahr allerseits!

Eigentlich bin ich kein Freund von guten Vorsätzen, doch in diesem Jahr will ich eine Ausnahme machen. Ich habe mir vorgenommen, 2014 mehr und regelmäßiger Beiträge ins Blog zu stellen – z.B. indem ich hier jede Woche Fundstücke aus dem Netz präsentiere. Mal sehen, wie lange ich durchhalte … Heute will ich jedenfalls mal einen Anfang machen.

Ganz frisch ist dieser Bericht auf Spiegel online über die Rekonstruktion und Erprobung römischer Torsionsgeschütze – warum diese als „Horrorwaffen“ und „Killermaschinen“ bezeichnet werden müssen, weiß allerdings wahrscheinlich nur die Redaktion:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/torsionsgeschuetze-roemische-horrorwaffen-im-wettertest-ausgegraben-a-941289.html

Auf medievalists.net, der Online-Schatzkiste für Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte, findet sich ein Video-Interview mit der Historikerin Dr. Mary Watt von der University of Florida zum Thema „Beschreibstoffe des Mittelalters“: Pergament, Vellum, Papier, ihre Herstellung, Verbreitung etc. (auf Englisch):

http://www.medievalists.net/2013/12/30/medieval-writing-surfaces-an-interview-with-dr-mary-watt/

Und hier noch ein Fundstück von DRadio Wissen, das ich bereits auf meiner Facebook-Seite verlinkt habe: „Müssen monotheistische Religionen intolerant sein? Drei Ringe, drei Betrüger und der Diskurs der religiösen Vielfalt im Mittelalter“, ein Vortrag der Mediävistin Dorothea Weltecke, gehalten am 22. Mai 2013 im Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ in Konstanz, jetzt hier zum Nachhören:

http://www.dradiowissen.de/religion-drei-ringe-drei-betrueger.88.de.html?dram%3Aarticle_id=272271

 

Übrigens: Mehr zu Beschreibstoffen und vielen anderen Aspekten des mittelalterlichen Schrift- und Buchwesens gibt es in meinem Buch „Die Schreibwerkstatt. Schrift und Schreiben im Mittelalter“ (G&S-Verlag, Zirndorf 2009).

 

 

Moderne Ansätze zur lebendigen Vermittlung von Geschichte – Ein kurzer Überblick über Konzepte und Begriffe

Lebendige Geschichtsdarstellung, „Reenactment“ und „experimentelle Archäologie“ sind Begriffe, die seit einigen Jahren auch in der Berichterstattung populärer Medien wie Spiegel Online oder SZ Online immer wieder auftauchen. Oft genug wird dabei jedoch nicht ausreichend zwischen den einzelnen Konzepten unterschieden, werden etwa „Reenactment“ und „experimentelle Archäologie“ als Synonyme verwendet oder unter der Bezeichnung „Histotainment“ zusammengefasst.
Ohne auf ihre Anwendung in didaktischen oder anderen Kontexten näher einzugehen, will ich im Folgenden versuchen, diese Begriffe und die hinter ihnen stehenden Konzepte zu erläutern. Da es keine allgemein gültigen, von einer übergeordneten Instanz festgelegten Definitionen gibt (oder geben kann), spiegeln diese Ausführungen letzten Endes meine persönliche Sicht wider und weichen zum Beispiel mitunter von den verlinkten Definitionen aus der deutschen Wikipedia ab.
Dennoch hoffe ich, mit diesem Beitrag ein wenig Licht ins Dunkel der Begriffe zu bringen und der Sprachverwirrung entgegen wirken zu können.

Living history oder reenactment? Ein "Normanne" und ein "Angelsachse" am Schauplatz der Schlacht von Hastings.

Living history oder reenactment? Ein "Normanne" und ein "Angelsachse" am Schauplatz der Schlacht von Hastings.

Histotainment
Der Begriff ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den englischen Ausdrücken history und entertainment. Bezeichnet werden so gerne Versuche aller Art, mit Geschichte zu unterhalten oder Geschichte unterhaltsam zu präsentieren. Darunter fallen etwa mit Spielszenen angereicherte TV-Dokumentationen zu historischen Themen ebenso wie Darstellungen in Museen oder auf Veranstaltungen wie z.B. Mittelaltermärkten, aber auch Lernspiele, Bastelbücher oder Mitmach-Angebote unterschiedlichster Art.
Der Begriff wurde in der Vergangenheit oft abwertend verwendet, bevorzugt um oberflächliche Geschichtsdarstellungen im Fernsehen zu bezeichnen. Seit 2003 ist „Histotainment“ eine eingetragene Wort- und Bildmarke der Histotainment GmbH Osterburken.

 

Living History
Living History bezeichnet ganz allgemein das Nacherleben vergangener Epochen, das unterschiedliche konkrete Formen annehmen kann. Im Vordergrund steht zunächst weniger die Darstellung nach außen, als das persönliche Erlebnis des Akteurs, der sich für einen begrenzten Zeitraum in Bekleidung, Ernährung, Ausstattung, Handeln, allgemeinen Lebensumständen etc. auf die von ihm gewählte historische Epoche einlässt.
Im weiteren Sinne kann living history auch das allgemeine Erlebbarmachen von Geschichte bezeichnen, von der Anlage eines Klostergartens nach Vorgaben des 10. Jahrhunderts über die Rekonstruktion und Erprobung historischer Fahrzeuge oder Maschinen bis zum Bau von Gebäuden nach historischem Vorbild und mit zeitgenössischen Methoden und Werkzeugen. Auch die Wiederbelebung alter Kampfkünste lässt sich als living history deuten.

Lebendige Geschichte, erlebbare Geschichte
Das gesamte Bedeutungsspektrum des englischen Ausdrucks „living history“ – lebendige Geschichte, Geschichte (er-)leben – lässt sich im Deutschen nicht wiedergeben. Die Bezeichnung „lebendige Geschichte“ wird meistens synonym für living history verwendet. „Erlebbare Geschichte“ betont stärker den Erfahrungscharakter, das Selbermachen, Dabeisein – Geschichte wird nicht einfach lebendig, sondern sie wird zum Leben erweckt, durch Darsteller, Atmosphäre, Ausstattung, Ausübung oder Vorführung historischer Tätigkeiten etc. Im Übrigen gilt das unter dem Stichwort „living history“ Gesagte.

Lebendige Geschichte: Altes Handwerk in Aktion.

Reenactment
Reenactment bedeutet „Wiederaufführung“, ist aber etwas weniger sperrig als der deutsche Ausdruck und seit langem eingeführt. Er bezeichnet die Inszenierung oder Darstellung konkreter historischer Ereignisse – meistens Schlachten, aber etwa auch Hochzeiten, Krönungen, Belagerungen, Hannibals Marsch über die Alpen oder ähnliches. Die Veranstaltung eines Ritterturniers in heutiger Zeit ist zunächst einmal kein Reenactment, es sei denn, es handelt sich um die Inszenierung eines historisch belegten Turniers, das zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit tatsächlich stattgefunden hat, und die Teilnehmer übernehmen Rollen, die sich aus entsprechenden Quellen belegen lassen. Verlauf und Ausgang einer solchen Darstellung sind daher zumindest bis zu einem gewissen Grad durch die Überlieferung vorgegeben: Da King Harold bei der Schlacht von Hastings 1066 ums Leben kam, darf er bei den alljährlichen Reenactments nicht überleben, sein Tod muss also entsprechend inszeniert werden.
Reenactments sind also Bestandteil von living history, aber nicht jede Darstellung von lebendiger Geschichte ist reenactment.

First Person Interpretation
Bei der first person interpretation schlüpft ein Darsteller in die Rolle einer konkreten (realen oder fiktiven) historischen Person. Er spricht also in der 1. Person, ganz gleich, ob er mit Mitspielern agiert oder sich ans Publikum wendet. Während die first person interpretation für Reenactments unabdingbare Voraussetzung ist, gilt das für andere Formen der Geschichtsdarstellung oder living history nicht unbedingt. Anders ausgedrückt: Das Tragen einer historischen Gewandung verpflichtet nicht automatisch dazu, eine Rolle einzunehmen und in deren Sinne zu sprechen und zu agieren.
Einer solchen Interpretation sind natürliche Grenzen gesetzt. Während etwa für das 18. oder 19. Jahrhundert Umgangsformen aus Benimmbüchern und anderen Quellen überliefert sind, ist deren Anwendung im Alltag keineswegs immer gesichert. Noch problematischer sind Darstellungen aus früheren Epochen wie Mittelalter oder Antike, wo bereits die Sprachformen (Mittelhochdeutsch, Latein o.ä.) Darsteller wie Publikum vor kaum zu überwindende Probleme stellen.

Third Person Interpretation
Im Unterschied zur first person interpretation wird bei der Verwendung der 3. Person die Distanz zur dargestellten Epoche gewahrt. Der Darsteller trägt zwar zeitgenössische Bekleidung, übt vielleicht auch historische Tätigkeiten aus oder führt diese vor, bleibt dabei jedoch er selbst, spielt also keine Rolle. Diese Form der Interpretation erleichtert die Interaktion mit dem Publikum und eignet sich besonders für Museumsführungen, Programme in Schulen und ähnliche Veranstaltungen, die in einem eindeutig modernen, didaktischen Kontext stehen und keine Spielszenen umfassen oder erfordern. Insbesondere für Epochen oder Kulturen, bei denen Sprach- oder andere Schwierigkeiten einer first person interpretation entgegenstehen, bietet sich die 3. Person als Alternative an.

Experimentelle Archäologie oder doch "nur" living history? Rekonstruktion und Betrieb eines Tretkrans nach mittelalterlichem Vorbild.

Experimentelle Archäologie oder doch "nur" living history? Rekonstruktion und Betrieb eines Tretkrans nach mittelalterlichem Vorbild.

Experimentelle Archäologie
Die experimentelle Archäologie versucht, durch archäologische Untersuchungen gewonnene Erkenntnisse durch praktische Anwendung zu verifizieren. Zu ihren typischen Aufgaben zählen etwa Nachbau und Erprobung historischer Werkzeuge, Waffen, Gewebe, Fahrzeuge, Alltagsgegenstände, Behausungen etc., aber auch Färbeversuche mit Pflanzenfarben, Eisengewinnung im Rennfeuerofen und vieles mehr. Im Vordergrund steht der Erkenntnisgewinn durch wissenschaftliche Methoden, d.h. Quellenlage, Vorbereitung, Durchführung und Ergebnisse des Experiments werden nach bestimmten Standards dokumentiert. Das „Erlebbarmachen“ von Geschichte ist dagegen zweitrangig, Experimentalarchäologen tragen nur ausnahmsweise historische Bekleidung und üben ihre Arbeit nicht vorrangig vor Publikum aus. Dennoch gibt es Überschneidungen mit der living history, die in vieler Hinsicht auf den Erkenntnissen der experimentellen Archäologie basiert und deren Protagonisten im besten Fall auch selbst nach experimentalarchäologischen Standards arbeiten.
Die „Europäische Vereinigung zur Förderung der experimentellen Archäologie e.V.“ (EXAR) bemüht sich u.a. um eine Vereinheitlichung solcher Standards.

LARP
LARP ist die Abkürzung für live action role play, oft auch als Live-Rollenspiel bezeichnet. Die Akteure spielen eine Rolle und tragen entsprechende Kostüme. LARPs können in einem historischen Kontext stattfinden, weit häufiger sind jedoch Fantasy- oder Science Fiction-Szenarien. Anders als bei Reenactments folgen die Geschichten keinem festen „Drehbuch“, sondern können je nach Verhalten und Interaktion der Akteure einen anderen Verlauf nehmen. Beim LARP geht es nicht um die Darstellung von Geschichte, sondern um das Erleben von Geschichten.

SCA
Die Society for Creative Anachronism („Gesellschaft für kreativen Anachronismus“, SCA) wurde 1966 von US-amerikanischen Studenten gegründet. Inzwischen gibt es zahlreiche Gruppen und Anhänger auf der ganzen Welt, die in frei erfundenen „Königreichen“ organisiert sind. Einige Mitglieder betreiben sehr ernsthafte Forschungen und versuchen, das Leben vor dem Jahr 1600 zu rekonstruieren und erlebbar zu machen. Andererseits inkorporiert die Welt der SCA aber auch zahlreiche Elemente des LARP, etwa in ihren Turnieren, bei denen Polsterwaffen zum Einsatz kommen, oder in Szenarien, mit denen die Geschichte der fiktiven Königreiche erzählt wird. Das (inoffizielle) Motto der SCA lautet: „Das Mittelalter, wie es hätte sein sollen“.